Berliner Verwaltungsreform-Grundsätze-Gesetz - VGG - Auszug -

(Beitrag im Online-Verwaltungslexikon olev.de, Version 1.1)

Drittes Gesetz zur Reform der Berliner Verwaltung
(Verwaltungsreform-Grundsätze-Gesetz-VGG)

vom 17. Mai 1999, zuletzt geändert durch Artikel XI des
Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher und haushaltsrechtlicher
Vorschriften vom 22. Juli 1999 (GVBl. S. 422)

(Online-Quelle und vollständiger Text am 10.02.2010)

Übersicht  § 1 Zweck
§ 2 Binnenstruktur
§ 3 Bürgerorientierung
§ 4 Wettbewerb
§ 5 Führungsaufgaben mit Ergebnisverantwortung
§ 6 Personalmanagement
§ 7 Qualitätssicherung

Abschnitt l: Grundsätze

§ 1 Zweck

Dieses Gesetz regelt durch seine Organisationsgrundsätze die Einheitlichkeit der reformierten Berliner Verwaltung hinsichtlich ihrer Bürgerorientierung, einschließlich der Ausrichtung auf die besonderen Belange der Wirtschaft, ihrer Führung und Steuerung und ihres Personalmanagements. Die Organisation der Berliner Verwaltung ist den Veränderungen gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen und den fortschreitenden verwaltungswissenschaftlichen und betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen anzupassen und fortwährend weiterzuentwickeln. Seitenanfang

§ 2 Binnenstruktur

(1) Die Behörden und nicht rechtsfähigen Anstalten der Berliner Verwaltung ("Behörden" im Sinne dieses Gesetzes) gliedern sich regelmäßig in die Leitung der Behörde und in die Organisationseinheiten Leistungs- und Verantwortungszentren, Serviceeinheiten und Steuerungsdienst. Die Leistungs- und Verantwortungszentren werden in den Senatsverwaltungen und der Senatskanzlei als Abteilungen, in den Bezirksämtern als Ämter bezeichnet.

(2) In den für ihre Arbeitsergebnisse verantwortlichen Leistungs- und Verantwortungszentren werden mit dem Ziel einer ganzheitlichen Aufgabenwahrnehmung zusammengehörende oder mehrere kleine Aufgabenbereiche gebündelt. Ihnen sind die personellen und sächlichen Mittel zur Aufgabenerfüllung zugeordnet; sie sind für den wirksamen und wirtschaftlichen Einsatz der Mittel verantwortlich. Einzelheiten zur Aufgabenerfüllung und zu Umfang und Art der personellen und sächlichen Mittel werden in Zielvereinbarungen zwischen der Behördenleitung und den Leistungs- und Verantwortungszentren festgelegt. Die Leistungs- und Verantwortungszentren werden an den positiven und negativen Ergebnissen ihres Handelns und Wirtschaftens beteiligt.

(3) Serviceeinheiten erfüllen im Auftrag von Leistungs- und Verantwortungszentren, anderen Organisationseinheiten oder der Behördenleitung Aufgaben des inneren Dienstbetriebs. Die Aufgaben aus den Bereichen Haushalt und Stellenwirtschaft sind in einer Serviceeinheit Finanzen zusammengefasst. Über die Leistungen, die Serviceeinheiten erbringen sollen, und über die dafür einzusetzenden Mittel werden Servicevereinbarungen zwischen den beauftragenden Organisationseinheiten und den Serviceeinheiten geschlossen. Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.  Seitenanfang

(4) Der Steuerungsdienst berät und unterstützt die Behördenleitung nach Maßgabe einer mit ihm abgeschlossenen Zielvereinbarung. Er berät und unterstützt außerdem die Leistungs- und Verantwortungszentren sowie die Serviceeinheiten bei der Erarbeitung von Zielvereinbarungen und nimmt die Controllingaufgaben wahr, indem er insbesondere die Erfüllung der Zielvereinbarungen begleitet und bei Abweichungen von festgelegten Leistungs- und Finanzzielen in Abstimmung mit den Leistungs- und Verantwortungszentren Vorschläge erarbeitet. Er bedient sich betriebswirtschaftlicher Steuerungsinstrumente, auch für Leistungsvergleiche und ihre Ergebnisse. Der Steuerungsdienst ist der Behördenleitung unmittelbar unterstellt.

(5) Zielvereinbarungen sind Absprachen der Behördenleitung mit den Leistungs- und Verantwortungszentren oder anderen Organisationseinheiten innerhalb der Behörde oder mit nachgeordneten Behörden. In geeigneten Fällen kann auch der Leistungsaustausch zwischen Leistungs- und Verantwortungszentren oder die Leistungserbringung innerhalb eines Leistungs- und Verantwortungszentrums durch Zielvereinbarungen geregelt werden. Zielvereinbarungen bedürfen der Schriftform und sind auf eine Geltungsdauer für ein Haushaltsjahr angelegt. Sie umfassen als abgestimmte Vorgaben mindestens Festlegungen zu qualitativen und quantitativen Leistungszielen, Finanzzielen und einzusetzenden Mitteln.

(6) Zur Regelung einer zeitlich befristeten, auf ein gemeinsames Arbeitsergebnis gerichteten Zusammenarbeit zwischen Organisationseinheiten einer oder mehrerer Behörden (Projekt) werden Projektvereinbarungen geschlossen. Sie umfassen mindestens Festlegungen zu qualitativen und quantitativen Leistungszielen, Finanzzielen und einzusetzenden Mitteln.  Seitenanfang

§ 3 Bürgerorientierung

(1) Alle Behörden richten ihre Organisation und die Art ihrer Leistungserbringung im Rahmen des gesetzlichen Auftrags und der gebotenen Wirtschaftlichkeit an den Anforderungen der Leistungsempfänger außerhalb der Berliner Verwaltung einschließlich der besonderen Belange der Wirtschaft aus.

(2) In den Leistungs- und Verantwortungszentren werden mindestens alle zwei Jahre Befragungen der Adressaten ihres Verwaltungshandelns durchgeführt (unter anderem Kundenbefragungen). Die Ergebnisse und ein daraus entwickelter Maßnahmenplan werden in geeigneter Weise bekannt gegeben. Die Adressaten werden auf die Freiwilligkeit und die Möglichkeit der anonymen Beantwortung hingewiesen.

(3) Die Öffnungs- und Sprechzeiten werden unter Beachtung der Wirtschaftlichkeit an den Bedürfnissen der Adressaten des Verwaltungshandelns ausgerichtet. Bis zum Vorliegen der Ergebnisse von Kundenbefragungen (Absatz 2), die eine differenzierte Ausrichtung der Öffnungszeiten an den Kundenbedürfnissen ermöglichen, mindestens jedoch bis zum 31. Dezember 2000, ist der Donnerstag regelmäßig Dienstleistungstag. Am Dienstleistungstag werden in den Behörden mit unmittelbarem Dienst für den Bürger Sprechstunden bis mindestens 18 Uhr, längstens 20 Uhr eingerichtet; weitergehende Dienstleistungszeiten bleiben unberührt. Die Organisation in Behörden mit unmittelbarem Dienst für den Bürger wird so eingerichtet, dass in den Sprechstunden Dienstleistungen möglichst abschließend erbracht werden. Wenn dies nicht möglich ist, wird innerhalb einer Woche mitgeteilt, wer die Bearbeitung übernommen hat und welche Bearbeitungszeit zu erwarten ist.

(4) Die Behörden bearbeiten Vorschläge und Beschwerden von Bürgern grundsätzlich innerhalb von 14 Tagen. Bei längeren Verfahren sind Zwischenmitteilungen Pflicht. Beschwerden werden der Behördenleitung oder einer von ihr bestimmten Stelle vorgelegt.

(5) ... Seitenanfang

§ 4 Wettbewerb

(1) Behörden unterziehen sich hinsichtlich Qualität und Kosten ihrer vergleichbaren Leistungen mindestens jährlichen Vergleichen innerhalb und außerhalb der Berliner Verwaltung. Die Ergebnisse werden in den Zielvereinbarungen und den Servicevereinbarungen berücksichtigt.

(2) Leistungs- und Verantwortungszentren einer Behörde können sich unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Kosten- und Leistungsrechnung und bei Zustimmung der beteiligten Behördenleitungen der Serviceeinheit einer anderen Behörde bedienen. Sofern Aufgaben von Serviceeinheiten einer anderen Behörde wahrgenommen werden, haben die auftraggebenden Organisationseinheiten die Befugnis zu fachlichen Vorgaben. Untersagt die Behördenleitung die Inanspruchnahme der Serviceeinheit einer anderen Behörde, so gleicht sie finanzielle Nachteile in den Zielvereinbarungen intern aus der der Behörde zur Verfügung stehenden Globalsumme aus.  Seitenanfang

§ 5 Führungsaufgaben mit Ergebnisverantwortung

(1) Führungsaufgaben mit Ergebnisverantwortung im Sinne dieses Gesetzes sind

  1. in den Senatsverwaltungen: die Leitung einer Abteilung als Leistungs- und Verantwortungszentrum und die Leitung einer Serviceeinheit,
  2. in nachgeordneten Behörden der Hauptverwaltung: die Leitung der Behörde, die Leitung einer Abteilung als Leistungs- und Verantwortungszentrum und die Leitung einer Serviceeinheit,
  3. in den Bezirksverwaltungen: die Leitung eines Amtes oder einer nicht rechtsfähigen Anstalt als Leistungs- und Verantwortungszentrum und die Leitung einer Serviceeinheit.

(2) Führungskräfte, die Führungsaufgaben mit Ergebnisverantwortung wahrnehmen, entscheiden im Rahmen der für ihre Organisationseinheit geltenden Ziel- oder Servicevereinbarungen eigenständig über die fachliche Leistungserbringung und den Einsatz der dafür zur Verfügung stehenden personellen und sächlichen Mittel. Sie sind für die Erfüllung der Aufgaben und die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Arbeitsergebnisse ihrer Organisationseinheit verantwortlich. Die Zuständigkeit und Verantwortlichkeit der Leitung von Senats- und Bezirksverwaltungen bleiben unberührt.

(3) Führungsaufgaben mit Ergebnisverantwortung und die Leitung des Steuerungsdienstes werden auf fünf Jahre befristet übertragen. Danach werden sie neu ausgeschrieben; erneute Übertragungen sind zulässig. Die Gestaltung der persönlichen Rechtsstellung der Führungskraft richtet sich nach Beamten- oder Arbeitsrecht.

(4) Der Leistungsstand der Organisationseinheiten wird mindestens jährlich in einem Vergleich der in den Ziel- oder Servicevereinbarungen festgelegten qualitativen und quantitativen Leistungs- und Finanzziele mit den erreichten Ergebnissen und unter Berücksichtigung der Leistungsvergleiche ermittelt. Eine Leistungsbeurteilung findet auch statt, wenn keine Zielvereinbarung vorliegt.  Seitenanfang

§ 6 Personalmanagement

(1) Alle Behörden bedienen sich einer Personalplanung. Sie unterstützt die bedarfs-, anforderungs- und eignungsgerechte Beschäftigung des Personals und eine gezielte Personalentwicklung.

(2) Die zuständigen Organisationseinheiten stellen der für den Stellenplan zuständigen Senatsverwaltung auf Anforderung aggregierte Informationen zur Verfügung, die für eine übergreifende Personalplanung erforderlich sind.  

(3) Ein Instrument gezielter Personalentwicklung ist der geplante Wechsel auf verschiedene, gleichwertige Aufgabengebiete (Rotation). Er findet grundsätzlich alle fünf bis zehn Jahre statt. Rotation in mehreren unterschiedlichen Aufgabenbereichen ist regelmäßig Voraussetzung für die Übertragung von Führungsaufgaben.

(4) Die für den erfolgreichen Einsatz in einem Aufgabengebiet erforderlichen wesentlichen Fähigkeiten, Kenntnisse, Fertigkeiten und sonstigen Eigenschaften, auch soziale und methodische Kompetenz, werden in einem Anforderungsprofil zusammengefasst. Es bildet die Grundlage für die dienstliche Beurteilung, eine Ausschreibung und die Auslese, insbesondere für eine Eignungsprüfung, ein Auswahlinterview oder ein Auswahlverfahren.

(5) Die Auswahl bei Personalentscheidungen bestimmt sich nach einem gruppenbezogenen Auswahlverfahren, mindestens für Führungsaufgaben, oder nach einem anderen geeigneten Auswahlverfahren, wie strukturierten Auswahlgesprächen oder Auswahlinterviews, unter Berücksichtigung der dienstlichen Beurteilungen. Im gruppenbezogenen Auswahlverfahren wird die Eignung von Bewerbern (Absatz 4 Satz 1) durch eine Gruppe von dafür besonders qualifizierten Fachkräften unterschiedlicher Fachrichtungen in einem ganztägigen strukturierten Auswahlprozess beurteilt. Der Gruppe gehört auch, mindestens bei Führungsaufgaben nach§ 5 Abs. 3 Satz 1, ein externer Personalberater an, der den Auswahlprozess anleitet und begleitet.  Seitenanfang

(6) Dienstliche Beurteilungen werden am Anforderungsprofil ausgerichtet. Regelmäßige Beurteilungen für die Beschäftigten werden mindestens alle drei Jahre vorgenommen, soweit dienstrechtliche Vorschriften nichts anderes bestimmen.  

(7) Alle Beschäftigten werden mindestens alle zwei Jahre freiwillig und anonym zumindest zur Qualität der Arbeit (Arbeitsorganisation, Arbeitsumfeld, Arbeitsbeziehungen, Arbeitszufriedenheit) und zur Qualität der Dienstleistung befragt (Mitarbeiterbefragungen). Das Ergebnis und ein daraus folgender Maßnahmenplan werden den Beschäftigten in geeigneter Weise bekannt gegeben.

(8) Befragungen der Beschäftigten zum Führungsverhalten (Führungskräfte-Feedback) finden mindestens alle zwei Jahre statt

(9) Die Führung von Mitarbeiter- und Vorgesetztengesprächen ist Pflicht jeder Führungskraft. Sie finden mindestens jährlich statt

(10) Führungskräfte sind verpflichtet, mindestens alle zwei Jahre in Abstimmung mit der für Personalentwicklung zuständigen Stelle der Behörde an Maßnahmen zur Führungskräftequalifizierung teilzunehmen, insbesondere für das Feld der sozialen Kompetenz und des Führungsverhaltens.

(11) Zum Erfahrungsaustausch werden Führungskräftezirkel eingerichtet. Seitenanfang

§ 7 Qualitätssicherung

Die Behörden betreiben eine systematische und regelmäßige Qualitätssicherung. Sie beinhaltet mindestens Qualitätsziele und Qualitätsindikatoren in den Ziel- oder Servicevereinbarungen. Die nach § 3 Abs. 2 durchzuführenden Kundenbefragungen werden auch im Innenverhältnis der Berliner Verwaltung angewandt.

 

© Copyright: Dr. Burkhardt Krems, Köln, 2010-02-10