Doppik / staatliche Doppik /
Neues Rechnungswesen

(Beitrag im Online-Verwaltungslexikon olev.de, Version 2.4)

1 Definition

  1. Kaufmännisches Rechnungswesen mit "doppelter Buchführung" (Geschäftsvorfälle führen zu Buchungen auf zwei Konten), im Gegensatz zur Kameralistik der öffentlichen Verwaltung.
  2. Synonym für das neue Rechnungswesen der öffentlichen Verwaltung als Gesamtkonzept, einschließlich der Grundsätze, Bewertungsregeln usw., das die Doppik der Privatwirtschaft an die Besonderheiten der öffentlichen Verwaltung anpasst.
  3. Im Sprachgebrauch des Bundes wird von "staatlicher Doppik" gesprochen (vgl. §§ 1a, 7a des Haushaltsgrundsätzegesetzes des Bundes (HGrG)).

2 Weitere Informationen

2.0 Ziele und Prinzipien im Überblick

Die Doppik erfasst systematisch Ressourcenaufkommen (Erträge) und den Ressourcenverbrauch (Aufwand) und ermöglicht damit, die Veränderung des Vermögens einer Kommune abzubilden, auch wenn keine Zahlungen anfallen, z. B. wenn Wertverlust durch Zeitablauf und Nutzung eintritt (berücksichtigt über Abschreibungen) oder künftige Belastungen durch Pensionsverpflichtungen entstehen (berücksichtigt durch Rückstellungen).

Die Doppik vermeidet damit die Fehlsteuerung des nur zahlungsorientierten kameralen Rechnungswesens, bei dem dieser Vermögensverzehr nicht erfasst und damit nicht steuerungswirksam wird, selbst wenn z. B. durch Verzicht auf Instandhaltung der Wert der Gebäude sinkt, bis sie nicht mehr sanierungsfähig sind. Derartige „Belohnungen“ im kameralen Haushalt, „Sparen“ zu Lasten künftiger Haushalte und Generationen, wird erkennbar.

Die Doppik der öffentlichen Hände erfasst die Planung der Aufwendungen und Erträge als „Ergebnishaushalt“, den tatsächlichen Ressourcenverbrauch als Ergebnisrechnung (Parallele in der Privatwirtschaft: Gewinn- und Verlustrechnung), das Ergebnis fließt unmittelbar in die Bilanz als Vermögensrechnung ein.

Durch die Doppik wird deutlich, ob Kommunen ihr Vermögen (ihr Eigenkapital) aufzehren, erhalten oder vergrößern. Erkennbar wird auch, ob sie überschuldet sind. Allerdings ist die Bewertung der Vermögenssituation problematisch, weil viele Vermögenswerte der Kommunen nicht veräußert werden können, die Bilanz also nicht die Aussagekraft wie für ein privates Unternehmen hat. Der entscheidende Informationsvorteil einer Bilanz liegt also im Ausweis der Änderung des Vermögens. 

2.1 Ziele der Reform

Für die kommunale Ebene hat die Innenministerkonferenz (IMK) am 21. November 2003 die Zielsetzung der Umstellung auf ein doppisches Rechnungswesen wie folgt beschrieben[2]:

"... durch die Reform des Gemeindehaushaltsrechts (soll)

  • das kommunale Haushalts- und Rechnungswesen von der bislang zahlungsorientierten Darstellungsform auf eine ressourcenorientierte Darstellung umgestellt und
  • die Steuerung der Kommunalverwaltungen statt durch die herkömmliche Bereitstellung von Ausgabeermächtigungen (Inputsteuerung) durch die Vorgabe von Zielen für die kommunalen Dienstleistungen (Outputsteuerung) ermöglicht werden.

Die IMK geht davon aus, dass die Reform des kommunalen Haushaltsrechts einen grundlegenden Wandel der kommunalen Haushaltswirtschaft und der Kommunalverwaltungen bewirken wird."

2.2 Das Konzept für ein neues Planungs- und Rechnungswesen

2.2.1 Das Konzept im Überblick
 

 Das neue - doppische - Planungs- und Rechnungswesen der öffentlichen Verwaltung
Planung Produkthaushalt
(Wirkungen, Leistungen, Kosten, Erlöse)
Finanzplan
(-haushalt)
(Einnahmen, Ausgaben)
Ergebnisplan
(-haushalt)
(Erträge, Aufwände)
(Planbilanz:
dieses Kernstück einer integrierten Plan ist nicht vorgesehen, vgl. z. B. § 79 GO NRW)
Bericht-
erstattung
KLR (Kosten-Leistungsrechnung), Wirkungsrechnung Finanzrechnung Ergebnisrechnung Bilanz
(Vermögensrechnung)
   
Integrierte Verbundrechnung (3-Komponenten-Rechnungssystem)
Doppische Verbundrechnung
© Krems - olev.de - Version 1.3 - 2009-09-27

Anmerkungen

  • Die Vermögensrechnung (Bilanz) stellt die tatsächliche Vermögens- und Schuldenlage zum Stichtag dar.
  • Die Ergebnisrechnung (Gewinn- und Verlustrechnung) informiert über Erträge und Aufwendungen einer Periode, in der Regel eines Jahres.
  • Die Finanzrechnung (Kapitalflussrechnung) ist der bisherigen Haushaltsrechnung vergleichbar. Sie weist weiterhin den Geldverbrauch (richtiger: den Geldfluss. B. K.) (Ein-/Auszahlungen) aus.

Diese Rechnungen sind Teil des externen Rechnungswesens und im Wesentlichen gesetzlich geregelt.

Eine Kosten- und Leistungsrechnung als internes Rechnungswesen lässt sich in ein solches System ohne weitere Schnittstellen integrieren und kann wichtige produktbezogene Daten liefern, vorausgesetzt, dass es nach gleichen Regeln gestaltet ist. Zahlreiche Kommunen rechnen aber grundlegend anders, um als "Kostennachweis" für die Gebührenkalkulation höhere Beträge ausweisen zu können, so dass die Netto-Produktkosten nach der kommunalen KLR z. T. dreimal so hoch sind wie die Netto-Aufwendungen. B. K.

(Bundesrechnungshof: Bericht nach § 99 Bundeshaushaltsordnung über die Modernisierung des staatlichen Haushalts- und Rechnungswesens vom 17. August 2006, S. 10 f., Ergänzungen B. K. in kursiv

3-Komponenten-Rechnungswesen BW

2.2.2 Weitere Informationen zu den Konzepten auf Landes- und kommunaler Ebene

Aktuelle Informationen über Konzepte, Planungen, Umsetzungen usw. z. B. über die von KGSt und Bertelsmann Stiftung betriebene Website Doppikvergleich.

Zur Situation 2012: Eine Einschätzung des Standes der Umsetzung, erreichte und erreichbare Vor- und Nachteile aus Sicht von Kämmerern und Haushaltspolitikern, erfragen zwei Studien der Universität Hamburg und der Johannes Kepler Universität Linz unter dem Titel "Der Mehrwert der kommunalen Doppik".

Eine umfangreiche Sammlung von Dokumenten (Eröffnungsbilanzen, Jahresabschlüsse, Haushaltssicherungskonzepte usw.) enthält die Website "Haushaltssteuerung.de".

Hamburg: Hamburg hat in der Zeit von 2003 bis 2007 auf Doppik umgestellt und inzwischen eine Eröffnungsbilanz, Jahresabschluss 2006 und eine Konzernbilanz 2007 veröffentlicht. Bei der Veröffentlichung der Konzernbilanz 2007 beschrieb Senator Dr. Freytag die Situation wie folgt:

2.3 Doppik im Bund

Die Planungen des Bundes sehen keine Umstellung auf Doppik, sondern eine "erweiterte Kameralistik" vor, siehe folgende Quellen:

BMF:

Nach Meinung des Bundesrechnungshofs ist eine weitergehende Reform empfehlenswert:

Bericht nach § 99 Bundeshaushaltsordnung über die Modernisierung des staatlichen Haushalts- und Rechnungswesens, 2006: externer Link | Online-Archiv.

Zur Diskussion siehe auch den Kommentar auf Verwaltungsmanagement.Info: "Ein halber Schritt nach vorn?" (Beitrag als PDF-DateiDruckfassung).

2.4 Notwendigkeit der Doppik: Hamburger und Berliner Thesen

Führende öffentliche Finanzwissenschaftler haben die Gründe für eine Umstellung in ihren 20 Hamburger "Thesen zum notwendigen Wechsel von der Kameralistik zu einer integrierten Verbundrechnung mit outputorientierter Budgetierung" formuliert. Sie halten ein "Kamerales Haushalts- und Rechnungswesen in einem demokratischen Gemeinwesen [für] nicht mehr vertretbar". Quellen: Innovative Verwaltung, Heft 1-2/2008, S. 10 – 13; Die Öffentliche Verwaltung, Heft 3/2008, S. 109 ff. Externer Link zu den Hamburger Thesen.

Eine ausführliche Stellungnahme dazu enthält das von Dietrich Budäus formulierte und von KGSt und Bertelsmann Stiftung herausgegebene "Berliner Manifest", 2009.

3 Quellen

3.1 Literatur

Quellen zum Neuen Kommunalen Finanzmanagement in Nordrhein-Westfalen: siehe im OlevWiki.

ohne Verfasser (verschiedene baden-württembergische Institutionen): Vollständiger Leitfaden zur Bilanzierung nach den Grundlagen des Neuen Kommunalen Haushalts- und Rechnungswesen (NKHR) in Baden-Württemberg, Arbeitsstand 29.10.2007. Online-Quelle

Budäus, Dietrich (Verfasser), KGSt und Bertelsmann-Stiftung (Hrsg.): Manifest zum öffentlichen Haushalts- und Rechnungswesen in Deutschland. Mehr Transparenz, Effektivität und Effizienz in Politik und Verwaltungen durch ein einheitliches doppisches Haushalts- und Rechnungswesen Berlin, 4. Mai 2009 (Kurztitel: "Berliner Manifest"). Online-Quelle

Budäus, Dietrich / Hilgers, Dennis (Hrsg.): Reform des öffentlichen Haushalts- und Rechnungswesens zwischen Finanzkrise und Handlungsdruck. Berlin 2010.

Doppik Hessen. Neues Kommunales Rechnungs- und Steuerungssystem. Grundlagen, Methoden, Empfehlungen und Richtlinien - Anlagen und Praxishilfen zur Umsetzung. Freiburg 2005

Innenministerium der Landes Nordrhein-Westfalen: Kommunalpolitik und NKF. Basisinformationen für Rats- und Kreistagsmitglieder zum nordrhein-westfälischen Neuen Kommunalen Finanzmanagement. Düsseldorf 2006 (Eigendruck). Online-Quelle 

Innenministerium der Landes Nordrhein-Westfalen: Neues Kommunales Finanzmanagement in Nordrhein-Westfalen. Handreichung für Kommunen. 4. Auflage, nur im Internet verfügbar: Online-Zugang

KGSt: Stand der Doppik-Einführung: Ergebnisse einer bundesweiten Umfrage, April 2008

Modellprojekt „Doppischer Kommunalhaushalt in Nordrhein-Westfalen“ (Hrsg.): "Doppischer Kommunalhaushalt in NRW": Neues Kommunales Finanzmanagement. Betriebswirtschaftliche Grundlagen für das doppische Haushaltsrecht. 2. Aufl., Freiburg 2003

Mühlenkamp, Holger (2011): Zu den Steuerungswirkungen des Neuen öffentlichen Haushalts- und Rechnungswesen und seiner Akzeptanz. Speyerer Arbeitsheft Nr. 203, Speyer. Online-Quelle

Wissenschaftlicher Arbeitskreis "IVR": Eckpunkte für die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung im öffentlichen Haushalts- und Rechnungswesen auf der Basis der Integrierten Verbundrechnung (IVR). In: Budäus, Dietrich / Reichard, Christoph / Schauer, Reinbert (Hrsg.): Public und Nonprofit Management – Aktuelle Forschungsergebnisse aus Deutschland und Österreich, Linz 2005, S. 197-202. Online-Quelle
(Die Eckpunkte sind auch in verschiedenen anderen Publikationen und Online-Quellen enthalten)

3.2 Links

Website Doppikvergleich von KGSt und Bertelsmann Stiftung

Website "Haushaltssteuerung.de"

Quellen zum Neuen Kommunalen Finanzmanagement in Nordrhein-Westfalen: siehe im OlevWiki.

Siehe im übrigen die oben angegebenen Quellen.

 


Anmerkungen

Zurück zum Text Auszug aus der Sammlung der zur Veröffentlichung freigegebenen Beschlüsse der 173. Sitzung der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder am 21. November 2003 in Jena, S. 19. Online-Quelle