Gesetzesfolgenabschätzung (GFA), Regulierungsfolgenabschätzung (RFA)

(Beitrag im Online-Verwaltungslexikon olev.de, Version 1.31)

1 Definition

Verfahren zur Ermittlung und Beurteilung der voraussichtlichen Folgen und Nebenwirkungen von Normsetzungsvorhaben[1], in der Schweiz - treffender - als "Regulierungsfolgenabschätzung (RFA)", international als "Regulatory Impact Analysis[2] (RIA)" bezeichnet. "Sie soll insbesondere bei Rechtsvorschriften mit beträchtlicher Wirkungsbreite und erheblichen Folgen angewendet werden. Sie muss Zukunftsperspektiven und Entwicklungen (Gesellschaft, Umwelt; Europäisierung, Globalisierung) berücksichtigen und in die Folgenabschätzung einbeziehen." (Aus dem Leitfaden zur Gesetzesfolgenabschätzung (Carl Böhret / Götz Konzendorf), Juni 2000, S. 6).

Systematisch ist die Gesetzesfolgenabschätzung

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2 Weitere Informationen

2.1 Regelung in Deutschland auf Bundesebene

Für den Bundesbereich regelt § 44 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (Fassung 2009) die Gesetzesfolgenabschätzung:

§ 44 Gesetzesfolgen

(1) Unter Gesetzesfolgen sind die wesentlichen Auswirkungen des Gesetzes zu verstehen. Sie umfassen die beabsichtigten Wirkungen und die unbeabsichtigten Nebenwirkungen. Die Darstellung der voraussichtlichen Gesetzesfolgen muss im Benehmen mit den jeweils fachlich zuständigen Bundesministerien erfolgen und hinsichtlich der finanziellen Auswirkungen erkennen lassen, worauf die Berechnungen oder die Annahmen beruhen. Es ist darzustellen, ob die Wirkungen des Vorhabens einer nachhaltigen Entwicklung entsprechen, insbesondere welche langfristigen Wirkungen das Vorhaben hat. Das Bundesministerium des Innern kann zur Ermittlung von Gesetzesfolgen Empfehlungen geben.

(2) Die Auswirkungen auf die Einnahmen und Ausgaben (brutto) der öffentlichen Haushalte sind einschließlich der voraussichtlichen vollzugsbedingten Auswirkungen darzustellen. Das Bundesministerium der Finanzen kann im Benehmen mit dem Bundesministerium des Innern hierzu allgemeine Vorgaben machen. Die auf den Bundeshaushalt entfallenden Einnahmen und Ausgaben sind für den Zeitraum der jeweils gültigen mehrjährigen Finanzplanung des Bundes aufzugliedern. Dabei ist anzugeben, ob und inwieweit die Mehrausgaben oder Mindereinnahmen in der mehrjährigen Finanzplanung berücksichtigt sind und auf welche Weise ein Ausgleich gefunden werden kann. Die Beträge sind gegebenenfalls im Benehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen zu errechnen, notfalls zu schätzen. Entstehen voraussichtlich keine finanziellen Auswirkungen, so ist dies in der Begründung anzugeben.

(3) Auswirkungen auf die Haushalte der Länder und Kommunen sind gesondert aufzuführen. Das für den Gesetzentwurf federführende Bundesministerium hat hierzu bei den Ländern und kommunalen Spitzenverbänden rechtzeitig Angaben zu den Ausgaben einzuholen.

(4) Es sind darzustellen:

  1. Im Benehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie die Kosten für die Wirtschaft, insbesondere für die mittelständischen Unternehmen und die Auswirkungen des Gesetzes auf die Einzelpreise und das Preisniveau,
  2. im Benehmen mit dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz die Auswirkungen des Gesetzes auf die Verbraucherinnen und Verbraucher.

Das für den Gesetzesentwurf fachlich zuständige Bundesministerium hat dazu Angaben der beteiligten Fachkreise und Verbände, insbesondere der mittelständischen Wirtschaft und der Verbraucher, einzuholen. Die Bundesministerien für Wirtschaft und Technologie sowie für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz sind frühzeitig zu beteiligen. 

(5) Die Bundesministerien müssen die Bürokratiekosten im Sinne des § 2 Absatz 1 des Gesetzes zur Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrats ermitteln und darstellen.

(6) Weitere Auswirkungen, die ein nach § 45 Absatz 1 bis 3 Beteiligter erwartet, sind auf seinen Wunsch darzustellen.

(7) In der Begründung zum Gesetzentwurf ist durch das federführende Ressort festzulegen, ob und nach welchem Zeitraum zu prüfen ist, ob die beabsichtigten Wirkungen erreicht worden sind, ob die entstandenen Kosten in einem angemessenen Verhältnis zu den Ergebnissen stehen und welche Nebenwirkungen eingetreten sind. 

(Hervorhebung ergänzt. B. K.)


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Online-Quelle / Fassung in der amtlichen Sammlung der Verwaltungsvorschriften des Bundes / Online-Archiv. (Anmerkung: die amtliche Sammlung der Verwaltungsvorschriften ist u. U. nicht aktuell und ist keine permanente Adresse)

Siehe dazu auch:

2.2 Regelungen und Empfehlungen in der Europäischen Union

a) Gesamtkonzept einer "guten Rechtsetzung" ("Better Regulation")

Als Teil der Lissabon-Strategie verfolgt die EU auch das Ziel einer möglichst guten Rechtsetzung. Dazu hat sie den Mandelkern-Bericht erarbeiten lassen, der Grundlage der Konzeption einer "guten Rechtsetzung" auf europäischer Ebene ist, aber auch den Mitgliedsländern empfohlen wird. Denn der Erfolg der Lissabon-Strategie hängt auch von der Qualität von Politik und Gesetzgebung in der Mitgliedsländern ab.

Der Mandelkern-Bericht nennt sieben Schlüsselbereiche (Themenfelder) einer guten Rechtsetzung (Erläuterungen gekürzt oder weggelassen):

  • Politische Optionen. Entscheidungsträger auf EU- und auf nationaler Ebene sollten stets die gesamte Bandbreite an möglichen Optionen im Blick haben, die für die Lösung eines Problems zur Verfügung stehen.
  • Folgenabschätzung. Die Gesetzesfolgenabschätzung [...] muss ein integraler Bestandteil des politischen Entscheidungsprozesses auf EU- und nationaler Ebene sein oder werden. ... sie ersetzt niemals die politische Entscheidung. Sie ermöglicht aber, Entscheidungen mit dem klaren Bewusstsein über die realen Tatsächlichkeiten zu treffen.
  • Konsultationen (Anhörungen/Beteiligungen).
  • Vereinfachung.
  • Zugang zu Rechtsvorschriften.
  • Strukturen.
  • Umsetzung von europäischen Rechtsvorschriften.

Mandelkern-Bericht, deutsche Fassung, S. 10 f.

 SeitenanfangDie Gesetzesfolgenabschätzung selbst umfasst folgende Prüfungen:

  • What is the nature and scale of the problem, how is it evolving, and who is most affected by it?
  • What are the views of the stakeholders concerned?
  • Should the Union be involved?
  • If so, what objectives should it set to address the problem?
  • What are the main policy options for reaching these objectives?
  • What are the likely economic, social and environmental impacts of those options?
  • How do the main options compare in terms of effectiveness, efficiency and coherence in solving the problems?
  • How could future monitoring and evaluation be organised?

European Commission: Impact Assessment Guidelines, 15 January 2009, S. 4 (Online-Quelle)

Siehe zu vergleichbaren Prüfschritten bei der Entwicklung von politischen Maßnahmen den UK-"Strategy Survival Guide".

Über die Konzepte und Aktivitäten informiert die Website Bessere Rechtsetzung der Kommission.

b) Folgenabschätzung für politische Programme und Maßnahmen

European Commission: Impact Assessment Guidelines, 15 January 2009, Online-Quelle der Guidelines, Online-Quelle der Anlagen 1 bis 13. Zur Einordnung der Folgenabschätzung in ein Gesamtkonzept wirkungs- und faktenorientierter politischer Planung siehe den UK-"Strategy Survival Guide" im Beitrag Strategisches Management.

Der Europäische Rechnungshof hat die GFA überprüft und stellt in seinem Sonderbericht Nr. 3, 2010, S. 6, fest: "Die Prüfung hat gezeigt, dass Folgenabschätzungen insgesamt gesehen und vor allem in den letzten Jahren die Entscheidungsfindung in den EU-Organen wirksam unterstützt haben. Der Hof stellte insbesondere fest, dass die Kommission seit 2002 ein umfassendes Folgenabschätzungssystem eingeführt hat. Folgenabschätzungen sind zu einem festen Bestandteil der politischen Gestaltung der Kommission geworden und wurden von ihr für eine bessere Konzeption ihrer Initiativen genutzt. Die Folgenabschätzungen der Kommission werden dem Europäischen Parlament und dem Rat systematisch zwecks Unterstützung des legislativen Beschlussfassungsprozesses übermittelt, und die Nutzer in beiden Organen finden sie hilfreich bei der Prüfung der Kommissionsvorschläge."

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2.3 Internationaler Stand

In anderen Ländern ist das Instrument wesentlich weiter entwickelt, siehe

In den USA wurde die systematische Gesetzesfolgenabschätzung auf Bundesebene bereits 1993 eingeführt, siehe z. B. die Regelungen des Circular No. A-94 mit der generellen Verpflichtung zur Folgenabschätzung, speziell zur Gesetzesfolgenabschätzung das Circular A-4 vom 17. September 2003, das die Regelungen aus dem Jahr 1996 weiterentwickelt. Insbesondere sind die Alternativen mit Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen (Kosten-Nutzen-Analysen oder Kosten-Wirkungsamkeits-Analysen) zu bewerten. Derzeit (Mitte 2009) werden die Regelungen unter der Regierung von Präsident Obama überarbeitet mit folgender Zielsetzung:

I therefore direct the Director of OMB, in consultation with representatives of regulatory agencies, as appropriate, to produce within 100 days a set of recommendations for a new Executive Order on Federal regulatory review.

Among other things, the recommendations

  • should offer suggestions for the relationship between OIRA and the agencies;
  • provide guidance on disclosure and transparency;
  • encourage public participation in agency regulatory processes;
  • offer suggestions on the role of cost-benefit analysis;
  • address the role of distributional considerations, fairness, and concern for the interests of future generations;
  • identify methods of ensuring that regulatory review does not produce undue delay;
  • clarify the role of the behavioral sciences in formulating regulatory policy;
  • and identify the best tools for achieving public goals through the regulatory process.

(Online-Quelle am 10.07.2009, Formatierung als Aufzählung eingefügt: B. K.)

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3 Quellen

3.1 Literatur

Böhret, Carl / Konzendorf, Götz 2000 Leitfaden zur Gesetzesfolgenabschätzung. Berlin (BMI), Juni 2000. Online-Quelle
Böhret, Carl / Konzendorf, Götz 2001 Handbuch Gesetzesfolgenabschätzung (GFA). Gesetze, Verordnungen, Verwaltungsvorschriften. Baden-Baden 2001
Bürger, Christian / Pahle, Michael /Wordelmann, Peter 2009 Die deutsche Gesetzesfolgenabschätzung im angelsächsischen
Kontext. In: Verwaltung und Management 2009, S. 83-89
Bundesamt für Umwelt (Schweiz) 2007 Bundesamt für Umwelt (Schweiz): , Volkswirtschaftliche Beurteilung von Umweltmassnahmen und -zielen, Leitfaden, Bern, BAFU. Online-Zugang, auch zu weiteren Dokumenten
Bundesministerium des Innern 2009 Arbeitshilfe zur Gesetzesfolgenabschätzung, Berlin 2009, Online-Quelle
Bundesministerium des Innern 2006 Leitfaden Folgenabschätzung in der Europäischen Union, Mai 2006, Online-Quelle
European Commission 2009 Impact Assessment Guidelines, 15 January 2009, Online-Quelle der Guidelines, Online-Quelle der Anlagen 1 bis 13

Europäischer Rechnungshof

2010

Folgenabschätzungen in den EU-Organen: Helfen sie bei der Entscheidungsfindung? Sonderbericht Nr. 3, 2010. Online-Quelle

HM Treasury (UK) 2003 The Green Book, Appraisal and Evaluation in Central Government, 2003. Online-Quelle
HM Treasury (UK)   Better Policy Making: Supplementary Guidance on Integrated Policy Appraisal in DTLR, http://www.hiaconnect.edu.au/files/Supp_guidance.pdf
Kettiger, Daniel 2000 Gesetzescontrolling. Ansätze zur nachhaltigen Pflege von Gesetzen. Bern/Stuttgart/Wien 2000
Mandelkern Group 2001 Mandelkern Group on Better Regulation. Final Report. 13 November 2001. Online-Quelle 

Deutsche Fassung veröffentlicht vom Bundesinnenministerium:
Der Mandelkern-Bericht – Auf dem Weg zu besseren Gesetzen. Online-Quelle

OECD 2004 Regulatory Impact Analysis (RIA) Inventory, 2004, GOV/PGC/RD(2004)1. Online-Quelle
Office of Management and Budget (USA) 1992 Circular No. A-94 (Guidelines and Discount Rates for Benefit-Cost Analysis of Federal Programs) vom 29. Oktober 1992, Online-Quelle
Office of Management and Budget (USA) 2003 Circular A-4 (Regulatory Analysis) vom 17. September 2003, Online-Quelle
US General Accounting Office 1990 Prospective Evaluation Methods: The Prospective Evaluation Synthesis. Transfer Paper 10.1.10. Washington D.C.: GAO 1990. Online-Quelle

3.2 Links

 


Anmerkungen

Zurück zum Text zur Bedeutung der Begriffe "Gesetz", "Norm", "Rechtsnorm" siehe im Beitrag "Norm".
Zurück zum Text gleichbedeutend: "Assessment"