Good Governance (Public Governance)

(Beitrag im Online-Verwaltungslexikon olev.de, Version 1.53)

1 Definition

1.1 Leitlinien guten Regierens und Verwaltens

Leitlinien für "gutes" Regieren bzw. Verwalten in Parallele zu Corporate Governance für private Unternehmen, von der EU-Kommission ebenso wie von der OECD und der Weltbank in Prinzipien formuliert und in der Entwicklungspolitik als Voraussetzung für Kredite und Fördermittel verwendet.

Oft wird statt von "Good Governance" nur von "Governance" gesprochen, ebenfalls aber mit normativer Bedeutung, also im Sinne "Good Governance", siehe die Definition der Weltbank :

"We define governance as the traditions and institutions by which authority in a country is exercised for the common good. This includes (i) the process by which those in authority are selected, monitored and replaced, (ii) the capacity of the government to effectively manage its resources and implement sound policies, and (iii) the respect of citizens and the state for the institutions that govern economic and social interactions among them."

Quelle: http://go.worldbank.org/MKOGR258V0, 2009-10-25

1.2 Ein neues Verhältnis zwischen Staat und Zivilgesellschaft

Darüber hinaus wird unter Good Governance auch ein neues Verständnis von Regierung und Verwaltung verstanden, das eine Gesamtsteuerung der gesellschaftlichen Entwicklung unter Einbeziehung der "Zivilgesellschaft", d. h. gesellschaftlicher Akteure (Verbände der Sozialpartner, Kirchen und Religionsgemeinschaften, Sozial- und Umweltverbände und andere NGOs) umfasst und das Konzept des aktivierendes Staates weiterentwickelt.

2 Weitere Informationen

2.1 Ziele und Wirkungen

Die OECD beschreibt die Wirkungen von Good Public Governance wie folgt:

Good, effective public governance helps to strengthen democracy and human rights, promote economic prosperity and social cohesion, reduce poverty, enhance environmental protection and the sustainable use of natural resources, and deepen confidence in government and public administration.

Quelle: Website "Public Governance and Management" der OECD - 2009-10-25

Die Aufzählung kann auch als Liste der Ziele interpretiert werden, die Good Governance anstrebt, und als Checkliste für die Qualität des Managements des öffentlichen Sektors (Public Management).

2.2 Public Governance: Leistungen der Gesellschaft ermöglichen

Ein gutes Beispiel für die Leistungsmöglichkeiten von Public Governance im Sinne der 2. Definition oben ist das "Wunder von Dresden", der Wiederaufbau der Frauenkirche: es ist weder eine Leistung des Staates noch eines einzelnen, sondern im klassischen Sinne "der Zivilgesellschaft", d. h. des Zusammenwirkens vieler Einzelner für ein gesellschaftliches Anliegen. Seitenanfang

Das Konzept einer Gesamtsteuerung in Kooperation mit gesellschaftlichen Kräften ist damit auch eine Erweiterung von "New Public Management" (des Neuen Steuerungsmodells) "hin zu einem ganzheitlichen, systemorientierten Konzept des Staatshandelns" (Hill, VOP 12/2000, S. 10 f.) und gleichzeitig eine Antwort auf die weiter zunehmenden Probleme einer zentralen Steuerung (s. dazu unten die OECD-Veröffentlichung).

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3. Kriterien für Good Governance

3.1 Kriterien der Weltbank für Good Governance

Die Qualität von Governance wird seit Jahren mit einem Satz von Kriterien gemessen, die folgende Aspekte repräsentieren:

Die Ergebnisse werden über die Website Governance Matters: Worldwide Governance Indicators veröffentlicht.

3.2 Prinzipien der OECD für Good Governance

(Übernommen von der Website der OECD am 3.3.2002) Seitenanfang

3.3 Grundsätze des "Guten Regierens" der Kommission der Europäischen Gemeinschaften

die im einzelnen wie folgt interpretiert und begründet werden:

Grundsätze des "Guten Regierens" der EU-Kommission (Auszug)

Gutes Regieren und die in diesem Weißbuch vorgeschlagenen Änderungen beruhen auf fünf Grundsätzen: Offenheit, Partizipation, Verantwortlichkeit, Effektivität und Kohärenz. Auf diese Grundsätze, von denen jeder einzelne für demokratischeres Regieren wichtig ist, stützen sich die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedstaaten. Sie gelten indessen für alle Regierungsebenen - die globale, europäische, nationale, regionale und lokale Ebene. Besonders wichtig aber sind sie für die Union, sollen die im vorhergehenden Kapitel dargelegten Herausforderungen bewältigt werden. Seitenanfang

  • Offenheit: Die Organe sollten offener arbeiten und gemeinsam mit den Mitgliedstaaten erklären, was die EU tut und wie Entscheidungen zustande kommen. Sie sollten eine Sprache verwenden, die jedermann verstehen kann. Offenheit ist deshalb so wichtig, weil sie helfen kann, das Vertrauen in komplexe Institutionen zu stärken.  
  • Partizipation. Wie gut, sachgemäß und wirksam die Politik der Union ist, hängt davon ab, inwieweit die Akteure in den Politikgestaltungsprozess - von der Konzipierung bis hin zur Durchführung - einbezogen werden. Verstärkte Teilhabe bewirkt größeres Vertrauen in das Endergebnis und die Politik der Institutionen. In welchem Umfang die Einbindung erfolgt, hängt ganz entscheidend davon ab, ob die zentralen Regierungsebenen in den Mitgliedstaaten bei der Entwicklung und Durchführung ihrer Politik nach einem "einschließenden" Konzept vorgehen. Seitenanfang
  • Verantwortlichkeit. Die Rollenverteilung bei Gesetzgebung und Durchführung muss klarer sein. Jede Institution der EU muss den Bürgern erklären, was sie in Europa tut, und dafür die Verantwortung übernehmen. Diese größere Klarheit und Zurechenbarkeit gilt auch für die Mitgliedstaaten und all jene, die, auf welcher Ebene auch immer, an der Entwicklung und Durchführung der EU-Politik mitwirken.  
  • Effektivität. Die Politik der EU muss wirksam sein, zur richtigen Zeit kommen, und auf der Grundlage von klaren Zielen, Folgenabschätzungen und gegebenenfalls Erfahrungswerten das Nötige vorsehen. Die Wirksamkeit bestimmt sich auch danach, ob die Politik in einer Weise durchgeführt wird, die im Verhältnis zu ihren Zielen angemessen ist, und ob die Entscheidungen auf der geeigneten Ebene ergriffen werden.  
  • Kohärenz. Politik und konkretes Handeln müssen kohärent und leicht nachvollziehbar sein. Der Bedarf an Kohärenz in der Union wächst: Es gilt immer mehr Aufgaben zu bewältigen. Die Ost-Erweiterung wird die Vielfalt noch vergrößern. Herausforderungen wie Klimawandel und Bevölkerungsentwicklung machen nicht an den Grenzen der sektoralen Politiken halt, auf denen die Union beruht, die regionalen und lokalen Körperschaften werden immer stärker in die Politik der EU eingebunden. Kohärenz erfordert politische Führung und eine starke Verantwortlichkeit der Organe, damit innerhalb des komplexen Systems ein in sich schlüssiger Ansatz zum Tragen kommt. Seitenanfang

Jeder Grundsatz ist für sich genommen wichtig. Keiner kann indessen getrennt von den anderen umgesetzt werden. Eine Politik wird künftig nur dann wirksam sein, wenn in ihre Vorbereitung, Anwendung und Durchsetzung möglichst viele Akteure einbezogen werden.

Die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Subsidiarität werden durch die Beachtung der obigen fünf Grundsätze verstärkt. Von der Konzipierung einer Politik bis zu ihrer Umsetzung müssen die Wahl der Ebene, auf der gehandelt wird (von der EU-Ebene bis hin zur lokalen Ebene) und die Wahl der jeweils geeigneten Instrumente im rechten Verhältnis zu den verfolgten Zielen stehen. Das heißt, dass vor Einleitung einer Initiative unbedingt systematisch geprüft werden muss, ob erstens öffentliches Handeln tatsächlich geboten ist, ob zweitens die europäische Ebene am besten dafür geeignet ist und ob drittens die gewählten Maßnahmen den Zielen angemessen sind.Auch die Europäische Union wandelt sich. Auf ihrer Tagesordnung stehen nunmehr außen- und verteidigungspolitische Angelegenheiten, Migrationsfragen und die Bekämpfung der Kriminalität. Sie wird neue Mitglieder aufnehmen. Sie wird nicht mehr nur danach beurteilt, ob sie Handelsschranken abbauen oder den Binnenmarkt vollenden kann. Heute kann sie ihre Legitimität nur aus Teilhabe und Einbindung beziehen. Das alte lineare Modell, bei dem die Politik von oben herab verkündet wird, muss durch einen circulus virtuosus ersetzt werden, einen Spiralprozess, der - von der Gestaltung bis zur Durchführung der Politik - auf Rückkoppelung, Netzwerken und Partizipation auf allen Ebenen beruht.

Quelle: Weissbuch "Europäisches Regieren", KOM(2001) 428 endgültig, deutsche Fassung, S. 13 f.

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3.4 Gesamtkonzept "European Governance"

Siehe dazu das Arbeitspapier der Kommission "Report on European Governance (2003-2004)", SEC(2004) 1153 vom 22.09.2004 und weitere Informationen auf der Website zu European Governance.

3.5 "Good Governance" im Vereinigten Königreich (UK / GB)

3.5.1 Quellen zu Good Governance im Vereinigten Königreich

Institution / Herausgeber Dokument
The Independent Commission for Good Governance in Public Services, UK, 2004 The Good Governance Standard for Public Services
(siehe den Auszug unten)
Audit Commission Corporate Governance: Improvement and trust in local public services, 2003
Financial Reporting Council Combined Code of Conduct 2006
Chartered Institute of Public Finance and Accountancy (CIPFA) A Toolkit for Local Authority Audit Committees
(siehe den Auszug unten)

 

Improvement Network Governance (mit weiteren Quellenangaben)


3.5.1 Auszüge aus Quellen zu Good Governance im Vereinigten Königreich

Principles of good governance
(Auszug aus der Gliederung des Good Governance Standard for Public Services, 2004)

1. Good governance means focusing on the organisation’s purpose and on outcomes for citizens and service users
1.1 Being clear about the organisation’s purpose and its intended outcomes
      for citizens and service users
1.2 Making sure that users receive a high quality service
1.3 Making sure that taxpayers receive value for money

2. Good governance means performing effectively in clearly defined functions and roles
2.1 Being clear about the functions of the governing body
2.2 Being clear about the responsibilities of non-executives and the executive,
      and making sure that those responsibilities are carried out
2.3 Being clear about relationships between governors and the public

3. Good governance means promoting values for the whole organisation and demonstrating the values of good governance through behaviour
3.1 Putting organisational values into practice
3.2 Individual governors behaving in ways that uphold and exemplify
      effective governance

4. Good governance means taking informed, transparent decisions and managing risk
4.1 Being rigorous and transparent about how decisions are taken
4.2 Having and using good quality information, advice and support
4.3 Making sure that an effective risk management system is in operation

5. Good governance means developing the capacity and capability of the governing body to be effective
5.1 Making sure that appointed and elected governors have the skills, knowledge
      and experience they need to perform well
5.2 Developing the capability of people with governance responsibilities
      and evaluating their performance, as individuals and as a group
5.3 Striking a balance, in the membership of the governing body, between
      continuity and renewal

6. Good governance means engaging stakeholders and making accountability real
6.1 Understanding formal and informal accountability relationships
6.2 Taking an active and planned approach to dialogue with and accountability
      to the public
6.3 Taking an active and planned approach to responsibility to staff
6.4 Engaging effectively with institutional stakeholders

 

Richtlinien für Corporate Governance
(Auszug aus "Toolkit" der CIPFA, S. 2)

Local authorities are entrusted with public funds and therefore have a particular duty to observe the highest standards of corporate governance at all times and ensure that they are discharging their duties with due regard to the proper conduct of public business. In summary, the guiding principles are that an authority should:

  • observe the highest standards of integrity, objectivity and honesty in the transaction of all its business
  • follow a policy of openness and transparency
  • be accountable for its stewardship of funds
  • maximise value for money by ensuring that services are delivered in the most effective, efficient and economical way.

If corporate governance is effective, the authority can flourish and, in this context, external stakeholders can rely on that authority. Good governance enables selfregulation and minimises the need for external regulation. Opportunities for authorities to demonstrate the effectiveness of their corporate governance arrangements include:

  • publishing reports of reviews of corporate governance. This is consistent with Audit Committees – Combined Code Guidance (the Smith Report, January 2003), which recommended that a governing body should undertake a rigorous evaluation of its own performance each year
  • publishing a statement of internal control that describes an effective system of risk management, control and governance, demonstrating that all key risks have been identified and managed
  • publishing with the financial statements a corporate governance controls assurance statement incorporating the statement on internal control.
  • arranging for, and paying due heed to, the work of effective internal and external auditors.

3.6 Weitere Quellen zu Governance

Good Governance ist
  • partizipativ
  • verlässlich
  • transparent
  • ansprechbar ("responsive")
  • effektiv und effizient
  • gleich und umfassend
  • beachtet das Recht
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Grafik: UNESCAP

UNESCAP-Beitrag im Online-Archiv

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4. "Governance im 21. Jahrhundert"
Zusammenfassung einer OECD-Veröffentlichung

Mit dem Beginn des 21. Jahrhunderts stehen weitere dramatische Umwälzungen in Wirtschaft und Gesellschaft auf der Tagesordnung. Das zunehmende Zusammenwachsen internationaler Märkte, die Einführung grundlegend neuer Technologien sowie eine sich verstärkende Wissensintensität menschlicher Tätigkeit deuten auf eine außerordentlich komplexe Welt von morgen.

Aber wer soll diese Entwicklungen steuern? Und in welche Bahnen sollen sie gelenkt werden? Welche organisatorischen und institutionellen Voraussetzungen und welche Entscheidungsstrukturen und -prozesse werden auf lokaler, nationaler und globaler Ebene benötigt, um diesen Herausforderungen begegnen zu können?

Sicher erscheint, dass traditionelle Formen der Steuerung, Lenkung, Kontrolle und Entscheidungsfindung (Governance oder Gouvernanz) im öffentlichen Sektor, im Unternehmensbereich und in der Gesellschaft weitgehend überholt sind.

In den kommenden Jahrzehnten werden neue Arten der Gouvernanz entwickelt werden müssen, um eine umfassendere Einbindung unterschiedlichster Gesellschaftsgruppen zu bewerkstelligen. Traditionelle hierarchische Organisationen mit ihrer Befehlsstruktur werden durch partizipative Entscheidungsstrukturen, die eine möglichst starke Integration aller Betroffenen (stakeholders) in den Entscheidungsprozess sicherstellen, abgelöst werden müssen. Nur so können die innovativen und kreativen Fähigkeiten aller Individuen und gesellschaftlicher Gruppen optimal genützt werden.

Diese Veröffentlichung untersucht die Chancen und Risiken wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und technologischer Natur, denen sich die Entscheidungsträger in den kommenden Jahren zu stellen haben werden, und erforscht die Grundlagen, die es der Gesellschaft erlauben, die Zukunft flexibler und mit der Teilnahme aller gesellschaftlichen Kräfte zu gestalten. Seitenanfang

4. Quellen

Czada, Roland (2009): Good Governance als Leitkonzept für Regierungshandeln: Grundlagen, Anwendungen, Kritik. In: Benz, Arthur / Dose, Nicolai (Hrsg.), 2009: Governance - Regieren in komplexen Regelsystemen. 2. Aufl., Wiesbaden, Kapitel 10