Wettbewerb (Konkurrenz)

(Beitrag im Online-Verwaltungslexikon olev.de, Version 2.22)

1 Definition

  1. Allgemein[1]: Situation, in der mehr Wünsche nach einem beliebigen "Gut" im weitesten Sinne vorhanden sind als befriedigt werden können. Gegenstand des Wettbewerbs kann dabei auch Aufmerksamkeit, Zuneigung, Rang innerhalb einer Gruppe usw. sein, aber auch die Zeit, die ein Mensch zur Verfügung hat: die Verwendungsmöglichkeiten der Zeit "konkurrieren" mit einander.
  2. Wettbewerb in der Wirtschaft: Situation, in der mehrere Anbieter eines knappen Gutes oder mehrere Nachfrager vorhanden sind, so dass die jeweils andere Seite eine Wahlmöglichkeit hat. Das ist in der Regel die Situation auf einem Markt, wobei der Wettbewerb zumeist nicht "vollständig" ist, d. h. auf einem vollkommenen Markt stattfindet, sondern unvollständig mit der Folge, dass die positiven Wirkungen des Wettbewerbs nur eingeschränkt eintreten.
  3. Situation, in der verschiedene Verwendungsmöglichkeiten für ein begrenztes Budget / einen begrenzter Vorrat an Gütern bestehen, die das Budget / den Vorrat übersteigen ("mehr Kultur oder mehr Sozialleistungen?"). Diese gerade für Staat und Verwaltung typische Wettbewerbssituation wird oft nicht als solche wahrgenommen, so dass keine rationale Diskussion stattfindet[2].
  4. Das Bemühen, Wetteifern der Konkurrenten, um den/die Verhandlungspartner möglichst zu überzeugen, wobei der Erfolg des Bemühens zu Lasten der Mitbewerber geht.

Der Wettbewerb wird auch geprägt durch die Art des Gutes, um das es im Wettbewerb geht: wie knapp es ist, ob es Rivalität im Konsum und die Möglichkeit gibt, andere vom Gut auszuschließen (siehe Güterarten), sowie Risiken und Nebenwirkungen des Handelns im Rahmen der Wettbewerbssituation.

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2.1 Wirkungen des Wettbewerbs

2.1.1 In historischer Perspektive

1. Politische Folgen
Der Wettbewerb hemmt die Entstehung dauerhafter Machtpositionen. Er führt zu einer extrem unübersichtlichen Verteilung politisch relevanter Handlungsrechte (die als Transaktionsgegenstände eingesetzt werden).

2. Wirtschaftliche Folgen
Der Wettbewerb führt zu einer Ausweitung der Freiräume, in denen die Produzenten autonom über den Einsatz ihrer Produktionsmittel und Erträge entscheiden können.

Damit ermöglicht er den besseren Einsatz nicht zentralisierbaren Wissens, -> wachsender Produktivität -> Möglichkeit, sich auf nicht-landwirtschaftliche Gewerbe zu spezialisieren -> Verbreitung und Wachstum von ökonomischen Märkten -> weiter zunehmender Spezialisierung und Zunahme der Produktivität.

Auf diesem sich selbst verstärkenden Prozess beruhen Wachstum, kulturelle Blüte und politische Expansion West- und Mitteleuropas im 11. bis 14. Jh.

Quelle: Oliver Volckart 2003[3]

2.1.2 Im Hinblick auf die Befriedigung des Bedarf und Fortschritt

Gibt es mehrere Anbieter, sind diese bestrebt, die Nachfrage an sich zu binden, indem sie entweder eine möglichst gute Leistung, eine Leistung zu einem günstigen Preis oder zu einem möglichst günstigen Preis-Leistungs-Verhältnis anbieten. Damit wird ein ständiges Streben nach Verbesserungen ausgelöst, das letztlich zum Vorteil der Nachfrager ist. Darauf hat schon Adam Smith hingewiesen[5].

Der Sinn des Wettbewerbs
liegt nicht darin, jemanden zu besiegen, sondern
aus jedem Mitspieler
das Beste herauszuholen.
(Walter H. Wheeler)[4]

2.2 Funktionen des Wettbewerbs

  1. Politisch: Verhinderung dauerhafter Machtpositionen (Volckart[3]);
  2. Ausrichtung der Produktion an den Präferenzen der Nachfrager;
  3. Eine optimale Allokation der Ressourcen (Verteilung der Güter so, dass der größte Nutzen entsteht);
  4. Generierung einer am Leistungsprinzip orientierten (Primär-) Einkommensverteilung
    (Kantzenbach, E.: Die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs, 2. Aufl., Göttingen 1967, S. 15 ff.).

Weitere Funktionen:

  1. Förderung des technischen und organisatorischen Fortschritts (vgl. Herdzina S. 25 ff.)
  2. Flexible Anpassung der Produktion und der Produktionstechnologie an Änderungen der Nachfrage oder Änderung staatlich festgesetzter Rahmendaten.

(Kantzenbach, a. a. O. S. 49)

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2.3 Situation der öffentlichen Verwaltung

2.3.1 "Wettbewerb soweit wie möglich" erfordert Transparenz

Wegen dieser Anreizwirkung des Wettbewerbs ist eines der Anliegen einer Neuen Verwaltungsführung, soweit wie möglich Wettbewerb zuzulassen oder zu schaffen ("Wettbewerb soweit wie möglich"). Wo Wettbewerb nicht möglich ist, sollen zumindest die Möglichkeiten für Quasi-Wettbewerb genutzt werden durch Benchmarking ("Leistungsvergleich") oder Wettbewerb um Auszeichnungen/Preise (z. B. Qualitätspreise).

Für diese Wirkungen ist Transparenz und Rechenschaftspflicht der Akteure der öffentlichen Hand gegenüber der Öffentlichkeit unverzichtbar, was nicht immer erkannt wird. Benchmarking, dessen Ergebnisse nur den beteiligten Behörden bekannt ist, hat kaum Anreizwirkung, weil der Druck von außen fehlt. Ersetz werden kann er teilweise durch Anforderungen von Aufsichtsinstanzen, wenn sie diese Informationen haben / anfordern und entsprechend auswerten, ggf. auch durch die Rechnungsprüfung / die Rechnungshöfe, wenn sie derartige Fragen aufgreifen.

Transparenz und Rechenschaft erfordern wiederum klar definierte messbare Ziele (siehe Ziele und Kennzahlen).

Die Verpflichtung zu Transparenz und Rechenschaft ist im übrigen auch die Folge aus der von Deutschland übernommenen Verpflichtung zu Good Governance.

2.3.2 Die Kosten- und Leistungsrechnung als Marktersatz?

Bei vielen Produkten/Leistungen der öffentlichen Verwaltung ist Wettbewerb derzeit nicht möglich, deshalb müssen die Wirkungen des Wettbewerbs durch geeignete andere Instrumente erreicht werden.

Adamaschek[6] hat darauf hingewiesen, dass der Markt eine ganzheitliche Bewertung vornimmt, d. h. alle Aspekte der Qualität der Leistung (einschließlich Qualität des Service usw.) im Verhältnis zum Preis bewertet. Die KLR, in der Form, wie sie in der Privatwirtschaft praktiziert wird, hat in der öffentlichen Verwaltung aber eine andere Wirkung, wenn die Verbindung zum Markt fehlt:

Eine Kosten- und Leistungsrechnung ist systemisch mit dem Markt verbunden. Wo diese Verbindung fehlt, muss dessen dreifache Informations- bzw. Anreizwirkung ersetzt werden: Eine Kosten- und Leistungsrechnung ist zwar nützlich, sie greift jedoch im öffentlichen Sektor zu kurz, wenn sie auf die herkömmliche Version beschränkt bleibt, wie sie im privaten Sektor angewandt wird.

Um die Kosten- und Leistungsrechnung auch im öffentlichen Sektor sinnvoll einzusetzen, ist sie dreifach zu ergänzen, und zwar um die Ganzheitlichkeit der Leistungsbeurteilung, um den Vergleich und um wirksame Optimierungsanreize.

Dafür müssten Leistungsvergleiche eingesetzt werden (= "Benchmarking"), sonst erreicht die KLR keine dem Markt in der Privatwirtschaft vergleichbare Wirkungen, sie läuft leer, verkommt zum Zahlenfriedhof oder trägt sogar zur Fehlsteuerung bei. Dabei kommt der Öffentlichkeit die Funktion zu, die Wirkungen des Marktes zu ersetzen, indem sie vergleichbare Anreize für ständige Verbesserung schafft, so Adamaschek.

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2.4 Wettbewerb in Forschung und Lehre

Die Besonderheiten des Wettbewerbs in Forschung und Lehre behandelte der Wissenschaftsrat in einer Stellungnahme bereits 1985. Seine Ausführungen sind nicht nur für das Hochschulwesen weiterhin gültig, sondern in manchem auf weite Bereiche der öffentliche Verwaltung übertragbar.

Der Wissenschaftsrat formuliert:

"Wettbewerb ist prinzipiell sinnvoll, wenn und insoweit er die Fähigkeit eines Systems verstärkt, wünschenswerte Leistungen zu erbringen. Dabei ist im Hochschulbereich an Leistungen in vielerlei Bedeutung zu denken: an Qualität der Forschung wie der Lehre, an Flexibilität in der Anpassung an neue Aufgaben wie an Effizienz im Einsatz der Mittel." (Wissenschaftsrat, Einleitung)

Wettbewerb kann unter bestimmten Voraussetzungen auch nachteilig wirken: Seitenanfang

"Es gibt eine Zuspitzung der Konkurrenz, die eher lähmt und entmutigt als stimuliert, weil vernünftige, kalkulierbare Erfolgschancen nicht mehr gegeben sind. Wettbewerb kann zu einer Konzentration von Qualität führen, die mit einer geistigen Provinzialisierung außerhalb der Zentren bezahlt wird. Wettbewerb um Studenten kann, wenn es an richtigen Rahmenbedingungen fehlt, Qualitätsstandards in der Lehre und im Prüfungswesen gefährden. Im Wettbewerb um Forschungsressourcen können, wenn er zu weit getrieben wird, viel Energie und viel Zeit unnütz verbraucht werden. Jedes Wettbewerbssystem wird die Gefahr solcher Fehlwirkungen zu beachten haben."

Als Voraussetzungen für positive Wirkungen des Wettbewerbs nennt der Wissenschaftsrat Handlungsfreiheit der Beteiligten, Transparenz, geeignete Bewertungsmaßstäbe und Fairness des Wettbewerbs:

Diese Anforderungen sind wohl auf die öffentliche Verwaltung im übrigen übertragbar. Sie schließen Wettbewerb - mit seinen möglichen positiven Wirkungen - nicht aus, sind jedoch Bedingungen dafür, unten denen Wettbewerb stattfinden muss, damit die positiven Wirkungen möglich und nicht akzeptable negative Wirkungen vermieden werden.

Der Wissenschaftsrat klassifiziert den Wetttbewerb auch nach Arten der Vorteile / Belohnung. Beim Wettbewerb der Hochschulen ist z. B. zu unterscheiden zwischen dem Wettbewerb

Auch für die öffentliche Verwaltung ist ja eine der klärungsbedürftigen Fragen, was die Erfolgskriterien für die Beurteilung im Rahmen einer Neuen Verwaltungssteuerung sein sollen. Siehe dazu auch den Beitrag Ziele und Kennzahlen.  Seitenanfang

2.5 Gemeinwohl durch Wettbewerb?

Die Frage, welche Wirkungen Wettbewerb für das Gemeinwohl haben kann und hat, war Gegenstand der 69. Tagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer in Graz vom 7.10. bis 10.10.2009, siehe Quellenverzeichnis.

3 Quellen

Kantzenbach, Erhard (1967): Die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs, 2. Aufl., Göttingen.

Kirchhof, Gregor (2010): Gemeinwohl durch Wettbewerb? Die 69. Tagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer in Graz vom 7.10. bis 10.10.2009. In: Archiv des öffentlichen Rechts 135 (2010), S. 289-308.

Peters, Anne / Giegerich, Thomas / Hatje, Thomas u. a. (2010): Gemeinwohl durch Wettbewerb? Berichte und Diskussionen auf der Tagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer in Graz vom 7. bis 10. Oktober 2009. Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Bd.69, Berlin 2010. Siehe auch den Tagungsbericht von G. Kirchhof.

Smith, Adam: Der Wohlstand der Nationen. Eine Untersuchung seiner Natur und seiner Ursachen. (Aus dem Englischen übertragen ... von Horst Claus Recktenwald.) München 1974 (dtv-Taschenbuch 1978) (Original: An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, 1776).

Wissenschaftsrat: Empfehlungen zum Wettbewerb im deutschen Hochschulsystem, Köln 1985. (Zu beziehen über die Geschäftsstelle des Wissenschaftsrates, siehe aber auch die - nicht amtliche - Online-Quelle).

 

 


Anmerkungen

Zurück zum Text Die Definition geht über die üblicherweise beachteten Disziplingrenzen hinaus im Sinne einer deskriptiven Definition, die formuliert, in welcher Bedeutung das Wort tatsächlich verwendet wird. Während man bei der Konkurrenz von Pflanzen um Licht, Wasser, Nährstoffe noch begriffliche Ausgrenzungen vornehmen könnte, weil keine "Entscheidungen" vorliegen, ist dies schon bei der Konkurrenz um Aufmerksamkeit, Nahrung, Rang, Status im Tierreich und entsprechend sehr früh bereits bei Menschenkindern kaum vertretbar: solche Konkurrenz setzt sich fort in das Erwachsenenalter, gegenüber Einzelnen wie in Gruppensituationen (mit Modifikationen entsprechend den Gruppenprozessen), wird als Konkurrenz erlebt und gehandhabt, darauf wird bewusst Einfluss genommen.

Zurück zum Text Um "größere" Rationalität in diesen Fragen bemühen sich Konzeptionen, die den für die Haushaltsplanung typischen Inkrementalismus vermeiden wollen, z. B. durch PPBS, siehe dazu im Beitrag "Inkrementalismus".

Zurück zum Text Vorlesung „Vorindustrielle Wirtschaftsgeschichte“, 22.05.2003, an der Humboldt-Universität Berlin, Online-Quelle am 18.08.2007, sowie in weiteren VeröffentlichungenZurück zum Text "The purpose of competition is not to beat someone down, but to bring out the best in every player". Walter Wheeler zugeschrieben, Originalquelle nicht bekannt. Gemeint ist wohl Walter H. Wheeler, Präsident des Weltmarktführers für Frankiermaschinen Pitney-Bowes von 1938 bis 1960 und Pionier guten sozial verantwortlichen Managements (siehe die Darstellung der Firmengeschichte im Internet und bei Wikipedia (englische Version), der vorbildliches Personal- und Diversity Management bereits praktizierte, als diese Begriffe noch unbekannt waren. Eine Würdigung auch in einem Youtube-Beitrag.

Zurück zum Text Der Wohlstand der Nationen. Eine Untersuchung seiner Natur und seiner Ursachen. (Aus dem Englischen übertragen ... von Horst Claus Recktenwald.) München 1974 (dtv-Taschenbuch 1978) (Original: An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, 1776)

Zurück zum TextAdamaschek, Bernd: Wettbewerb in strategischen Politikfeldern als Quelle für Leistung und Innovation. Rede auf der 4. Tagung der Behördenleitungen des Bundes "Wettbewerb in strategischen Politikfeldern als Quelle für Leistung und Innovation", 14.09.2004, Online-Quelle, S. 19: " Was der Markt der Güter und Dienstleistungen im privaten Sektor bewegt, das bewegt der Markt der Meinungen im öffentlichen Sektor." Ausführlich zu diesen Fragen auch Adamaschek, Bernd: Der interkommunale Leistungsvergleich - Erfahrungen in Deutschland. In: Meurer/Stephan (Hrsg.), Rechnungswesen und Controlling in der öffentlichen Verwaltung, Loseblattwerk, 1999 ff.