Gruppenleistung / Ringelmann-Effekt
(Beitrag im Online-Verwaltungslexikon olev.de, Version 1.2)
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1 Definition Ringelmann-Effekt
Als Ringelmann-Effekt wird das Phänomen abnehmender individueller Leistung bei zunehmender Gruppengröße bezeichnet: die Leistung der Gruppe steigt nicht proportional zur Zahl der Gruppenmitglieder, sondern mit zunehmender Zahl immer stärker unterproportional: bei 2 Personen ist die Gruppenleistung nur 2 × 93 % der Einzelleistung, bei 8 Personen sogar nur 8 x 49%.
Die verringerte Gesamtleistung wird durch Koordinationsverluste einerseits, Motivationsverluste andererseits erklärt, insbesondere als Tendenz, einen Teil der Arbeit anderen zu überlassen, weil die Einzelleistung nicht erkennbar ist (Trittbrettfahren, auch "soziales Faulenzen" (in Übersetzung von "social loafing") genannt).
Entsprechende geringere Leistungen von Gruppen als von Einzelnen sind auch beim Brainstorming beobachtet worden, d. h. Gruppen erzeugen nur halb so viele Ideen als wenn die Teilnehmer getrennt vorgehen (gemessen wurde dabei ausschließlich die Zahl von Vorschlägen, nicht ihre Qualität).
2 Weitere Informationen
Gruppen leisten weniger? Der deutsche Psychologie Ringelmann (1861-1931) beobachtete, dass die Einzelleistung sinkt, wenn mehrere gemeinsam eine Aufgabe (Tauziehen) bewältigen. Das Phänomen der abnehmenden individuellen Leistung bei zunehmender Gruppengröße trägt deshalb seinen Namen.
Spätere Experimente haben die Ergebnisse bestätigt.
Als Ursachen für Motivationsverluste (verminderte individuelle Anstrengungsbereitschaft im Gruppenkontext) werden z. B. genannt (Ihrke):
- social loafing: die Motivation einer Person verringert sich, weil kein persönlicher Gewinn vermutet wird und/oder keine persönliche Verantwortlichkeit für das Ergebnis besteht.
- Trittbrettfahren: die Motivation einer Person verringert sich, weil die Auffassung vorherrscht, zwischen individueller Leistung und Gruppenerfolg bestehe kein Zusammenhang (z. B. Steuern).
- Gimpeleffekt: die Person verliert die Motivation, weil sie vermutet, Partner zu haben, die die eigene Bereitschaft, einen Beitrag zu leisten, ausnutzen (das Trittbrettfahren anderer wird also antizipiert).
- Performance Matching: Angleichen von individuellen Leistungen an normative Standards (aufgrund befürchteter Reaktionen der Gruppe - Gruppennormen)
- andere Gruppeneffekte: man will nicht die Rolle des Antreibers in der Gruppe übernehmen, man meint, die eigene Anstrengung bringe keine Anerkennung in der Gruppe, usw.
Auch beim Brainstorming zeigten sich entsprechende Wirkungen, die Reber u. a. damit erklärt, dass - neben dem "Trittbrettfahren" (s. o.) - die Wahrnehmung der Ideen und Äußerungen durch andere nicht stimulierend, sondern eher blockierend wirkt, der soziale Vergleich zur Zurückhaltung führt: man möchte sich nicht durch zu viele Ideen hervortun, und fühlt sich in seinem Verhalten beurteilt, selbst wenn keine ausdrückliche Beurteilung erfolgt.
Die Experimente von Ringelmann bezogen sich auf den Einsatz physischer Kraft (Tauziehen) und sagen deshalb nichts zur Leistung von Gruppen z. B. beim Problemlösen, wo es um die Qualität der Lösung geht: hier können Gruppen überlegen sein. Die Leistung in und von Gruppen ist ein komplexes Problem und lässt sich nicht auf den Ringelmann-Effekt reduzieren!
Beim erfolgreichen Problemlösen durch Gruppen kommt es z. B.
- auf die Zusammensetzung der Gruppe an,
- ob in der Gruppe die benötigten Kompetenzen (Fachkenntnisse, Methodenkompetenz) vorhanden sind
- die vorhandenen Kompetenzen wirkungsvoll eingesetzt werden
- die für eine funktionierende Gruppenleistung förderlichen Rollen wahrgenommen werden. Dabei kommt es insbesondere auf die Verteilung und Klärung der Führungsfunktion(en) an, die nicht immer den formellen Festlegungen entsprechen.
- auf das Vorgehen:
- typischerweise verläuft die Bildung einer Gruppe, bis zur optimalen Arbeit, in Phasen, in denen unter Umständen erhebliche Konflikte ausgetragen werden (vgl. exemplarisch für die Problematik den Wikipedia-Beitrag.
- ist der Erfolg vom Vorgehen abhängig, insbesondere bei komplexeren Vorhaben: siehe Projektmanagement.
Für die Frage der Arbeitsleistung einer Gruppe sind ferner soziale Einflüsse zu berücksichtigen, etwa durch den Hawthorne-Effekt.
3 Quellen
Literatur
Forsyth, Donelson R. (1998): Group Dynamics. 3. Aufl. 1998 (Der englischsprachige Klassiker)
Levi, Daniel (2001): Group Dynamics for Teams. Thousand Oaks
Sader, Manfred (2002): Psychologie der Gruppe. 8. Aufl., Weinheim
Internet-Quellen
Kurze, informative Beiträge, derzeit (Oktober 2005) im Internet verfügbar:
Bergmann, Gero von (2002): Allgemeine Aspekte der Gruppenpsychologie. 138. Sitzung der Humboldt-Gesellschaft am 08.04.02
Daniel / Mutz (2004): Gruppenphänomene und Gruppenleistung. Folien zur Vorlesung an der ETH Zürich, 2004/2005
Ihrke, Matthias (2004) Leistung interagierender Gruppen (Studienmaterialien im Internet, Stand: 2004-04-07)
Reber, Rolf (2000?): Leistung in Gruppen. Folien zur Vorlesung an der ETH Zürich. (2012: leider nicht mehr verfügbar)
2012-08-22