Kundenbefragung / Kundenmonitor (Schweiz: Kundschaftsbefragung)
(Beitrag im Online-Verwaltungslexikon olev.de, Version 2.31)
1 Definition
Systematische Erhebung und Auswertung der Meinung der "Kunden" bzw. der Adressaten des Verwaltungshandelns darüber, ob die Leistungen bedarfsgerecht, qualitativ gut und zeitgerecht sowie in Art und Weise angemessen erbracht werden (Servicequalität). Sie sind eine wichtige Informationsgrundlage insbesondere da, wo keine marktähnlichen Reaktionen zu erwarten sind, Qualität, Service und Wirkungen also nur über Kundenbefragungen ermittelt werden können. Wird die Einschätzung der Kunden regelmäßig und vergleichbar erhoben, spricht man auch von Kundenmonitor. Kunden können sowohl externe Abnehmer/Adressaten als auch Empfänger interner Leistungen sein, also insbesondere der Leistungen der Service- bzw. Querschnittseinheiten, aber auch der Steuerungsunterstützung/des Controlling.
Geschlechtsneutrale Bezeichnung: Kundschaftsbefragungen.
Unterscheide: (allgemeine) Bürgerbefragungen, die Einschätzungen und Meinungen unabhängig von konkreten Leistungen der Verwaltung bzw. der Betroffenheit (zum Beispiel durch Bußgeldbescheide oder belastende Verwaltungsakte) erheben. Sie ergeben Meinungsbilder, die nicht auf eigenen Erfahrungen beruhen, und sind deshalb nicht geeignet, zur besseren Qualität der Leistungen beizutragen. Im Zweifel reflektieren sie das Bild der veröffentlichten Meinung, wird also stark von den Medien geprägt.
2 Weitere Informationen
2.1 Material / Hinweise
Kundenbefragungen sind in modernen Verwaltungen heute Standard, deshalb gibt es zahlreiche Anleitungen dazu, siehe z. B. die Broschüre der Staatskanzlei NRW. Das Land Berlin hat regelmäßige Kundenbefragungen gesetzlich vorgeschrieben (s. Berliner VGG) und Handreichungen für die Durchführung ausgearbeitet. Die Erfahrungen wurden u. a. in der nachfolgenden Checkliste festgehalten:
- Wird eine Projektgruppe/Arbeitsgruppe[1] für den gesamten Prozess der Befragung eingesetzt?
- Sind Zielsetzungen und Zielgruppen der Befragung klar formuliert?
- Ist ausreichend Know-how für die Methoden der Befragung vorhanden?
- Sind die Durchführung und die Ergebnisse der Befragung repräsentativ?
- Ist eine zeitnahe Auswertung Gewähr leistet?
- Ist eine Ursachenanalyse Bestandteil der Befragung?
- Werden die Ergebnisse der Befragung dokumentiert und veröffentlicht?
- Führen die Befragungsergebnisse zu unmittelbaren Konsequenzen?
Aus: Siegl, Nadja / Stephan, Eike: Kundenmonitore als Zufriedenheitsfalle? Qualität der Bürgerbefragung ist entscheidend für verwertbare Ergebnisse. In: VOP 3/2000, S. 13-16
Beachte das verwaltungstypische Problem "Wer ist Kunde?", z. B. bei der Überwachung des ruhenden Verkehrs, Entziehung der Fahrerlaubnis und anderen "belastenden" Verwaltungstätigkeiten, oder bei der Unterhaltung von Grünanlagen. Die KGSt hat diese Frage genauer untersucht und unterscheidet 10 Kundengruppen (KGSt Bericht Nr. 6/1995), siehe die Zusammenfassung.
2.2 Durchführung von Kundenbefragungen
Im Kanton Zürich bietet das Statistische Amt die Durchführung von Kundenbefragungen an. Die fachlichen, vor allem aber auch die methodischen Anforderungen an Vorbereitung, Durchführung und Auswertung von Kundenbefragungen werden oft unterschätzt, so dass dieser Weg generell empfehlenswert sein könnte.
Empfehlung: Lassen Sie die Befragung von Fachleuten vorbereiten, durchführen und auswerten! |
Alternativ könnte der Rückgriff auf fachkundig geprüfte (!) gute Beispiele helfen, allzu grobe Fehler zu vermeiden. Denn es geht u. a. darum, statistisch gesicherte und mit späteren Befragungen vergleichbare Ergebnisse zu bekommen, ferner darum, Fehlschlüsse (wie "Armut macht krank") zu vermeiden, den Informationsgehalt der Daten auszuschöpfen und die Ergebnisse so darzustellen, dass sie allgemein verständlich sind und letztlich zur Verbesserung der Arbeit beitragen.
Auch Kundenbefragungen sind "Produkte" und deshalb zielorientiert zu planen und durchzuführen, der Erfolg ebenso wie die Wirtschaftlichkeit sind zu überprüfen. "Kunden" der Befragung sind die Einheiten, deren Kunden befragt wurden, sowie Management und Management-Unterstützungseinheiten - aber auch die Befragten sind zu befragen: haben sie die Fragen verstehen und leicht beantworten können, sind die ihrer Meinung nach wichtigen Dinge gefragt worden, ist der Zugang zur Befragung leicht, der Sinn der Befragung einleuchtend, die Vertraulichkeit erkennbar gewährleistet, die Ansprache zur Teilnahme motivierend?
2.3 Was bringen Kundenbefragungen?
Dazu die KGSt unter Auswertung von Guy Kawasaki:
- In der Privatwirtschaft hat sich gezeigt, dass Kundenbefragungen nur eine begrenzte Aussagekraft haben. Orientiert man sich daran bei der Entwicklung von Produkten, so erhält man Produkte, die genauso sind wie der meisten Mitbewerber und immer den Produkten der Marktführer nachhinken.
- Für die Kommune bedeutet das: Aus den Erfahrungen des International Network wissen wir, dass allgemeine Zufriedenheitsbefragungen auch für den kommunalen Raum nicht ausreichen. Wirkungsvoller sind Feedback-Gruppen. Gute Hinweise liefert auch eine intensive Beobachtung, wie die Bürgerinnen und Bürger die kommunalen Leistungen in Anspruch nehmen. Hierbei sollten sowohl die Leistungen, die im direkten Kontakt zum Bürger erbracht werden (z. B. Neuanmeldungen), als auch die für alle gedachten Dienstleistungen (z. B. Grün- und Parkanlagen) betrachtet werden. Es sollte gelingen, Verbesserungen zu erkennen, die dem Bürger noch nicht bewusst sind.
KGSt unter Auswertung von Guy Kawasaki: "Die Kunst, die Konkurrenz zum Wahnsinn zu treiben", in: KGSt-Info 43/1998, S. 150 f.
Im Qualitätsmanagement ist schon seit langem bekannt, dass es nicht ausreicht, die von Kunden geäußerten Wünsche zu erfüllen, sondern dass ein Konkurrenzvorteil nur dadurch entstehen kann, neue, überraschende Eigenschaften zu verwirklichen. Die entsprechende Klassifikation von Kundenwünschen nach Kano ist heute weitgehend anerkannt. Danach lassen sich die Kundenwünsche gliedern in:
- Grundforderungen: sie sind so grundlegend / selbstverständlich, dass sie den Kunden erst bei Nichterfüllung bewusst werden (implizite Erwartungen). Werden sie nicht erfüllt, entsteht Unzufriedenheit, werden sie erfüllt, entsteht aber keine Zufriedenheit! Am Beispiel Auto: Sicherheit, Rostschutz.,
- Leistungsmerkmale sind dem Kunden bewusst, sie können in unterschiedlichem Ausmaß erfüllt werden, und je nach dem Ausmaß, zu dem sie erfüllt werden, beseitigen sie Unzufriedenheit oder schaffen darüber hinaus Zufriedenheit, eine positive Einstellung zum Produkt. Am Beispiel Auto: Fahreigenschaften, Beschleunigung, Lebensdauer.
- Begeisterungsmerkmale sind dagegen unerwartete Merkmale/Eigenschaften. In der Privatwirtschaft versuchen Unternehmen damit, ihr Produkt von der Konkurrenz zu unterscheiden. Am Beispiel Auto: Sonderausstattung, besonderes Design, bei Computern „lebt“ die Fa. Apple z. T. mit derartigen, nicht-funktionalen Besonderheiten ihrer Produkte.
Die Unterscheidung zwischen „Zufriedenheit“ und „Nicht-Unzufriedenheit“ entspricht der Motivationstheorie von Herzberg[2].
2.4 Mitarbeiterbefragung (Befragung der Mitarbeitenden/Beschäftigten)
Diese Befragungen können nur zum Teil als "Kundenbefragung" verstanden werden: die Beschäftigten sind jedenfalls nicht nur die "Kunden" der Führungskräfte. Allerdings können Empfehlungen für Kundenbefragungen ebenso wie Regeln für die Verwendung zum Teil übernommen werden, ggf. angepasst, so dass das Instrumentarium parallel verwendbar und Strukturen und Kapazitäten unter Umständen gemeinsam genutzt werden können.
2.6 Zusammenhang zwischen Kunden-/Bürger- und Mitarbeiterzufriedenheit
Ein mehrfach untersuchtes Thema ist der Zusammenhang zwischen Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit: entwickeln sie sich parallel? Auf diese Parallelität wiesen zum Beispiel die Ergebnisse der Befragungen in Berliner Bezirksämtern hin, die unter der Leitung von Helmut Klages durchgeführt worden waren. Entsprechende Ergebnisse gibt es in anderen Untersuchungen, allerdings zum Teil differenzierter. Grundsätzlich lässt sich aber sagen, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die Ergebnisse beider Befragungen zu ähnlichen Ergebnissen kommen, oder auch: eine der Befragungen reicht in der Regel aus, um das Ergebnis der anderen voraussagen zu können - man kann sich die zweite dann auch sparen.
Die differenzierten Ergebnisse der empirischen Untersuchung von Winter (2005) belegen einen Zusammenhang mit der Qualität des Managements insgesamt und unterstützen deshalb die Empfehlungen für umfassendes Qualitätsmanagement.
2.6 Evaluation
Die Evaluation in Hochschulen durch Befragung der Studierenden lässt sich ebenfalls als Kundenbefragung verstehen. Aus den differenzierten Überlegungen im Zusammenhang mit der Evaluation können deshalb auch Aspekte für Kundenbefragungen übernommen werden, siehe den Beitrag zu "Evaluation" mit den Hinweisen auf umfangreiche weiteren Quellen und Materialien.
3 Quellen
Es ist empfehlenswert, jeweils zu prüfen, welche Konzepte für die eigenen Verwaltungsbereich vorliegen, aber auch bei anderen Verwaltungen zu recherchieren. Eine Empfehlung nach "good practice"-Kriterien kann derzeit nicht gegeben werden.
Glück, Michael (2007): Vertrauen und Legitimation durch Bürgerzufriedenheit: eine Untersuchung der Aufgabenerfüllungszufriedenheit anhand deutscher Städte und Gemeinden. Bern
KGSt (Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement): Kundenbefragungen - Ein Leitfaden. KGSt-Bericht 13/1997. Köln
Senatsverwaltung für Inneres, Berlin (Hrsg.): Untersuchung der Servicequalität in der öffentlichen Verwaltung: erstellt auf der Grundlage der Erfahrungen der Projektgruppe Servicetest Verwaltung, Berlin : Senatsverwaltung für Inneres, 1999
Simon, Hermann / Homburg, Christian: Kundenzufriedenheit: Konzepte – Methoden - Erfahrungen, Wiesbaden, 4. Auflage 2001
Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen – Projekt Verwaltungsmodernisierung – Verwaltungsmodernisierung in Nordrhein-Westfalen. Kundenbefragungen. Düsseldorf, Juli 2004. Online-Quelle
Zum Zusammenhang zwischen Kunden-/Bürger- und Mitarbeiterzufriedenheit
Klages, Helmut (Hrsg.): Aufbau eines Monitoringsystems „Effizienz und Effektivität" Berliner Bürgerämter. Abschlussbericht. Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung, Speyer 2006 (Forschungsbericht 244) (zum Zusammenhang zwischen Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit siehe S. 320 ff.)
Stock-Homburg, Ruth (2011): Der Zusammenhang zwischen Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit. Direkte, indirekte und moderierende Effekte, 5. Auflage, Wiesbaden.
Winter, Stefanie (2005): Mitarbeiterzufriedenheit und Kundenzufriedenheit: Eine mehrebenenanalytische Untersuchung der Zusammenhänge auf Basis multidimensionaler Zufriedenheitsmessung. Dissertation Mannheim 2005. Online-Quelle
Anmerkungen
1 Im Original wird eine Projektgruppe empfohlen, eine formelle Projektorganisation mit hauptamtlichem, d. h. für diese Aufgabe freigestelltem Personal ist aber möglicherweise nicht erforderlich (siehe das Thema "Projektwürdigkeit"). Richtig ist, dass eine übergreifend zusammengesetzte Gruppe die Befragung verantworten sollte - und nicht der einsame Fachverantwortliche für das Produkt.
2 Herzberg unterscheidet „Hygienefaktoren“, die Unzufriedenheit auslösen oder vermeiden können, und Motivatoren: nur sie erzeugen eine positive Einstellung und Zufriedenheit. Vereinfacht: Schmerzen machen unzufrieden, die Abwesenheit von Schmerzen macht aber nicht zufrieden. Die als gerecht empfundene Bezahlung macht nur „nicht-unzufrieden“, Zufriedenheit dagegen entsteht durch Anerkennung im Beruf, Entwicklungsmöglichkeiten, positive soziale Beziehungen, usw.
2018-08-07