Unternehmenskultur
/ Organisationskultur
(Beitrag im Online-Verwaltungslexikon
olev.de, V. 1.50)
1.1 Unternehmenskultur/Organisationskultur
ist der über die Zeit gewachsene Bestand von gemeinsamen grundlegenden
Orientierungen, der das Verhalten der Organisationsmitglieder unsichtbar und
zumeist unbewusst und unreflektiert steuert, und der in Werten und Normen sowie
in Zeichen, Symbolen und Ritualen sichtbar und durch sie vermittelt wird.
Alternative Definition:
Unternehmenskultur/Organisationskultur ist "die erlernte Art des Wahrnehmens, Denkens und
Fühlens, die die Organisationsmitglieder teilen und untereinander weitergeben". So der CEN-Wissensmanagement-Leitfadenschaft, S. 24, unter Verweis auf Schein 1984 (1985?).
1.2 Ebenen der Organisationskultur sind
in denen sich die Basisannahmen ausdrücken und sie gleichzeitig vermitteln und stabilisieren (siehe Grafik "Kulturebenen").
Die Organisationskultur als Ergebnis eines langen informellen Lernprozesses ist nicht durch rationale Entscheidung änderbar, sondern nur durch organisatorische Umlernprozesse (siehe "Beeinflussbarkeit der Unternehmenskultur").
1.3 Kulturwandel
Kulturwandel ist eine tiefgreifende Veränderung der Organisation, die auf
der Ebene der Basisannahmen, also der grundlegenden Orientierungen der Organisationsmitglieder,
ansetzt. Nicht jede Veränderung ist also gleichzeitig "Kulturänderung".
Siehe Change Management-Problemklassen und Beeinflussbarkeit
der Unternehmenskultur.
2. | Weitere Informationen |
2.1 | Ist- oder Soll-Kultur? Der wissenschaftliche Begriff und die Umgangssprache |
Wissenschaftlich ist Kultur ein beschreibender (deskriptiver) Begriff, der die tatsächlich vorhandenen Erscheinungen erfasst, ohne sie - als gut oder schlecht, hochstehend oder nicht, kultiviert oder primitiv - zu bewerten.
Es ist vor allem dieser Aspekt menschlichen Zusammenlebens, den die Organisationspsychologie unter der Überschrift "Kultur" untersucht.
Im allgemeinen Sprachgebrauch wird "Kultur" oft jedoch auch im Sinne einer "guten", einer hochstehenden, entwickelten modernen Organisationskultur verwendet, im Sinne einer Vorstellung, wie die Kultur beschaffen sein sollte. Dann gehört der aktuelle Hit nicht zur Kultur (vielleicht spricht man sogar von "Unkultur"?), wohl aber die Verdi-Oper und die Plastik von Henry Moore vor dem Bundeskanzleramt.
Die umgangssprachliche Verwendung bezieht die Tiefendimension des Kulturbegriffs oft nicht ein, sieht die Oberflächenphänomene und den Vorrat an Normen und tatsächlichem Verhalten als Gesamtheit der Kultur, ohne die Existenz von zumeist unbewussten Annahmen über die Umwelt, die Realität, die Anforderungen an menschliches Verhalten als Basis des Verhaltens und der Kultur zu beachten.
"Kultur" ist also ein Begriff, bei dessen Verwendung zunächst die Bedeutung geklärt werden sollte. Immerhin zeichnet sich in der modernen Betriebswirtschafts- und Organisationslehre ein Trend zur Verwendung des Begriffes in der hier definierten Bedeutung ab (s. unten Quellenhinweise).
2.2 | Was ist Unternehmenskultur? Welche Ebenen umfasst sie? |
Unternehmenskultur ist ein im wesentlichen kollektives Phänomen, d. h. es bezeichnet Ideen, Vorstellungen und Werte, die die Organisationsmitglieder gemeinsam verfolgen, ohne sich dieses für gewöhnlich bewusst zu machen.
Kulturebenen und ihr
Zusammenhang. |
Die Vorstellungen umfassen u. a. Basisannahmen, etwa
(Ausführlicher dazu Schreyögg/Koch 2007, 333 ff.)
2.3 | Beeinflussbarkeit der Unternehmenskultur / Kulturwandel |
Von einem "Kulturwandel" kann dann gesprochen werden, wenn die in einer Organisation vorhandenen Basisannahmen sich ändern oder ändern sollen. Änderungen der darauf aufbauenden Ebenen sind in diesem Sinne kein Kulturwandel.
Frese 1998, S. 186 f. fasst die Untersuchungen von Schein (1985) zu den Möglichkeiten eines Kulturwandels wie folgt zusammen:
"Schein unterscheidet bei den Mechanismen, die zur Transformation kulturprägender Grundauffassungen in das Denken, Fühlen und Verhalten der Mitarbeiter eingesetzt werden können, zwischen primären und sekundären Mechanismen (Schein 1985, S. 223 ff.). Dabei reicht die Palette der auf die Entstehung der Unternehmungskultur einwirkenden Instrumente von bewussten und prononcierten Aktionen bis zur charismatischen Ausstrahlung des Führers.
Bei den primären Mechanismen unterscheidet Schein folgende Instrumente und Prinzipien:
- Systematische Auswahl und Betonung der Vorgänge, denen der Führer seine besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden gedenkt,
- Art der Reaktion bei kritischen Ereignissen und in Krisensituationen,
- Gestaltung des Anreiz-, Beförderungs- und Statussystems sowie
- Prinzipien bei der Auswahl neuer Mitarbeiter.
Sekundäre Mechanismen zur Transformation kultureller Werte sind im wesentlichen formalisierte Regelungen. Sie wirken nur dann, wenn sie in Einklang stehen mit den primären Mechanismen: "... unmittelbar handlungsbeeinflussende Annahmen und Werte der Organisationskultur manifestieren sich in erster Linie in dem, was der Führer vorlebt und demonstriert, nicht in dem, was schriftlich festgehalten oder durch die Gestaltung von Systemen und Regelungen angestrebt wird" (Schein 1985, S. 237).
Zu den sekundären Mechanismen sind vor allem zu zählen:
- die Organisationsstruktur
- das Berichtswesen sowie das System festgelegter Richtlinien und Regelungen sowie
- Satzungen und Führungsgrundsätze
(Ende des Zitats aus Frese 1998, S. 186 f.)
Frese verweist auch nachdrücklich auf die Warnungen von Schein (Culture, 1985, 314 f.), die Problematik misszuverstehen und/oder zu ignorieren, und zitiert ihn dabei wie folgt:
Warnungen von Edgar Schein, zitiert von Erich Frese, Organisation, 7. Aufl., 1998, 188:
1. Hüte Dich vor Vereinfachungen und verwechsle Organisationskultur nicht mit anderen sinnvollen Konzepten wie 'Klima' oder 'Unternehmungsphilosophie'! Organisationskultur ist einer tieferen Ebene zuzuordnen und determiniert zu einem großen Teil diese anderen Phänomene. Klima, Werte und Philosophien können durch 'Management' im traditionellen Sinne beeinflußt werden, aber es ist keineswegs erwiesen, ob das für die diesem Ganzen zugrundeliegende Kultur gilt. Allerdings muß man ein Verständnis für das Wesen der Kultur entwickeln, um beurteilen zu können, welche Ausprägungen in einer konkreten Unternehmung für das Klima, das Wertesystem und die Unternehmungsphilosophie möglich und wünschenswert sind.
2. Hüte Dich vor der Annahme, Kultur beziehe sich nur auf die soziale Dimension eines organisatorischen Systems! Kultur beeinflußt nicht nur, wie das interne Autoritäts- und Kommunikationssystem sowie die Aufgabenerfüllung gestaltet werden, sie determiniert darüber hinaus die für die Unternehmung grundlegenden Programme und Zielsetzungen. Die bloße Konzentration auf das System sozialer Beziehungen kann in eine gefährliche Sackgasse führen; die Aufmerksamkeit wird auf diese Weise abgelenkt von den gemeinsamen Grundauffassungen in bezug auf die Anforderungen an die Produkte, den Charakter des Marktes, die Grundwerte der Unternehmung und andere Faktoren, die einen viel größeren Einfluß auf die Effizienz der Unternehmung haben können.
3. Hüte Dich vor der Annahme, Kultur könne manipuliert und gestaltet werden wie andere Objekte, die der Kontrolle des Managements unterliegen! Die Kultur kontrolliert den Manager mehr als der Manager die Kultur - durch zwangsläufig wirksame 'Filter', die die Wahrnehmung, das Denken und die Emotionen eines jeden Managers prägen. Die Prinzipien 'effizienten' Managements - wie Zielsetzung. Erfassung der Zielrealisation, Erfolgskontrolle, Rückkopplung der Ergebnisse - sind selbst in einem nicht genau bekannten Maße in jeder Unternehmung durch die Kultur geprägt. Es gibt kein kulturunabhängiges Managementkonzept.
4. Hüte Dich vor der Annahme, es gäbe eine 'richtige' oder 'bessere' Kultur und glaube nicht, 'starke' Kulturen seien besser als 'schwache'! Was richtig ist, oder ob 'Stärke' gut oder schlecht ist, hängt ab von dem Grad der Übereinstimmung zwischen den Grundauffassungen der Kultur und den jeweiligen Umweltbedingungen. Eine starke Kultur kann zu einem Zeitpunkt angemessen, zu einem anderen ineffizient sein, weil sich die Umweltbedingungen geändert haben.
Thesen von Schein zur Auseinandersetzung mit der Organisationskultur (Quelle: Schein [Culture] S. 314 f.)
2.4 | Thesen zur Notwendigkeit und Möglichkeit der Veränderung der Organisationskultur der Verwaltung |
a) Gestaltung des Anreizsystems
b) Institutionalisierung von Lernimpulsen
c) Informationssystem
2.5 | Beispiele für kulturelle Unterschiede und ihre Bedeutung |
Ein französischer Manager übernimmt die Leitung des Vertriebs für Skandinavien. An seinem ersten Arbeitstag erlebt er gleich einen Kulturschock, als er seiner Sekretärin einen Auftrag erteilt. Statt sich mit einer kurzen Bestätigung zu entfernen um den Auftrag auszuführen, fragt sie ihn: "Und warum soll ich das machen?"
Flugplatzbau im Südpazifik
Amerikanische Ingenieure bauten in den 50er Jahren einen Flugplatz im Südpazifik. Dazu rekrutierten sie unter den Inselbewohnern junge, starke Arbeitskräfte, teilten sie in Teams ein und machten die Fähigsten unter ihnen zu Vorarbeitern, respektive zu Leitern von mehreren dieser Teams. In den nächsten Wochen lief alles gut (dachten die Amerikaner), bis sie eines Morgens in ihrem Frühstücksraum sämtliche einheimischem Vorarbeiter und Gruppenleiter mit säuberlich durchgeschnittener Kehle vorfanden.Was war geschehen? In der Kultur dieses Inselvolks waren Rangunterschiede innerhalb der gleichen Altersgruppe tabuisiert. Die Amerikaner hatten diese Gesellschaft in eine unerträgliche Situation gebracht, und die kulturellen Normen des Inselvolkes hatten obsiegt. Die Ingenieure hätten viel früher die Zeichen der Unzufriedenheit unter den Arbeitern erkennen und nach deren Ursachen fahnden müssen, aber dazu reichte ihre kulturelle Sensibilität, ihre Kenntnis der Landessitten und Landessprache und ihre Fähigkeit, sich andere als die eigenen kulturellen Normen vorzustellen, nicht aus.
Der Einfluss von Werten, Einstellungen und Normen auf die Organisation - ein deutsch-japanischer Vergleich als Beispiel[2]
Einige Praktiken in japanischen Organisationen widersprechen fundamental dem, was wichtige Organisatoren als vernünftige Organisationsprinzipien ansehen. Japanische Organisationen weisen beispielsweise die folgenden Merkmale auf:
Die meisten dieser Eigenschaften würden von jedem tüchtigen Organisator westlicher Unternehmen als organisatorische Schwachstellen erster Güte eingestuft werden. Die Feststellung beispielsweise, dass Stellen keine fest umrissenen Aufgaben und Entscheidungskompetenzen haben, treibt ihnen regelmäßig die Haare zu Berge. Dennoch sind japanische Unternehmen mit diesen - in westlichen Augen unmöglichen - Organisationen recht erfolgreich.
Wie kann dies sein? Die Antwort ist zunächst einfach: Japaner sind viel stärker kollektivistisch orientiert als Europäer oder Amerikaner; folglich erstrecken sich organisatorische Regelungen in weit höherem Ausmaß auf Gruppen und weniger auf Stellen für Individuen.
(Im folgenden wird ausgeführt, dass dies ein Ergebnis einer unterschiedlichen kulturellen Entwicklung zwischen Japan und Europa sei. In Europa bestand im Mittelalter ebenfalls eine kollektive Kultur, es galt das Prinzip der "ausreichenden Nahrung", Gewinnstreben war Sünde. Dann hätte sich in Europa durch die wirtschaftliche Entwicklung, die Renaissance, die Reformation und die Aufklärung im Verlauf von 300 Jahren eine individualistische Kultur entwickelt, in der Gewinnstreben eine Tugend ist.)
Asiaten arbeiten anders als Europäer. In China etwa ist der Gebrauch eines
Handbuchs mit einem Gesichtsverlust für den Anwender verbunden; er gilt
dann als unfähig. Aus diesem Grund sind die Online-Hilfen in Softwareanwendungen
für die asiatischen Länder wesentlich anders aufgebaut und stärker in das
Produkt integriert als bei uns. (Der Mensch ist das Maß. In: Computer Zeitung
vom 11.02.1999, S. 8.)
Für Geschäftsbeziehungen u. a. mit China könnte wichtig
sein, was mehrfach berichtet wird: die bereits im römischen Recht verankerte
"Selbstverständlichkeit", dass Verträge einzuhalten
sind (pacta sund servanda) gilt nicht: getroffene Vereinbarungen schließen
nicht aus, dass immer wieder nachverhandelt wird über die Umsetzung
der vertraglich übernommenen Rechte und Pflichten. - Eine Erscheinung,
die - rechtssoziologisch betrachtet - in allen Systemen mit unvollkommenen
Systemen der Rechtsdurchsetzung zu erwarten ist: Absprachen nur nach Maßgabe
der eigenen Interessen zu respektieren oder zu missachten wird belohnt.
3. Informationsquellen (Literatur, Internet-Adressen) |
Darstellungen finden sich in zahlreichen Lehrbüchern für Organisation, Management oder Personalmanagement (bzw. -wirtschaft und -führung), insbesondere Bleicher 2004, Frese 1998, Schreyögg 2003, Staehle 1999, Christian Scholz, Wunderer 2000. Darüber hinaus gibt es inzwischen eine umfangreiche Literatur, die sich mit Kultur unter dem Aspekt der interkulturellen Zusammenarbeit befasst, s. dazu unten Hofstede.
Zusammenfassend:
Neubauer, Walter (2003): Organisationskultur. Stuttgart
Grundlegend sind die Arbeiten von Edgar Schein:
Schein, Edgar H. (1980): Organisationspsychologie, Wiesbaden (Organizational Psychology, 2. Aufl., 1972)
Schein, Edgar H. (1985): Organizational Culture and Leadership.
Schein, Edgar H. (1992): Organizational Culture and Leadership. A Dynamic View. 2. Aufl., San Francisco 1992
Eine gute Darstellung der Problematik im Zusammenhang mit Wissensmanagement, unter Verwertung von Fallstudien, findet sich in folgender Veröffentlichung:
CEN 2004: European Committee for Standardization - Europäisches Komitee für Normung (Hrsg.): Europäischer Leitfaden zur erfolgreichen Praxis im Wissensmanagement (European Guide to Good Practice in Knowledge Management). Brüssel, Frühjahr 2004. Online-Quelle
Scholz, Christian | 2000 | Personalmanagement. 5. Aufl., München, S. 778 ff. ("Kulturorientiertes Personalmanagement") |
Schreyögg, Georg / Koch, Jochen | 2007 | Grundlagen des Managements. Basiswissen für Studium und Praxis. Aufl., Wiesbaden 2007, Kapitel 9, S. 327 ff. |
Umfangreiches Material gibt es zu der Fragestellung der interkulturellen Kommunikation bzw. interkultureller Kompetenz für die Arbeit im internationalen Kontext, siehe z. B.
Hofstede, Geert | 2001 | Lokales Denken, globales Handeln. Interkulturelle Zusammenarbeit und globales Management. 2. Aufl. 2001 |
Kumbier, Dagmar / Schulz von Thun, Friedemann | 2006 | Interkulturelle Kommunikation: Methoden, Modelle, Beispiele. Reinbek 2006 |
Anmerkungen
[1] | Kieser, Welchen Einfluß hat die Kultur auf Organisation und Führung. In: Pullig / Schäkel / Scholz (Hrsg.), Erfolgskonzepte der Führung, Hamburg, 1984, S. 25, 27 f. |
[2] | Kieser, a.a.O., S. 39 f. |
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© Copyright: Prof. Dr. Burkhardt
Krems, Köln, 2022-04-26 |