Whistleblowing ("Alarm schlagen" bei Missständen)

(Beitrag im Online-Verwaltungslexikon olev.de, Version 2.55)

1 Definitionen

1.1 Whistleblowing

"Alarm schlagen" bei Missständen[6]: Weitergabe von Information über und Kritik an illegalem oder unethischen Verhalten in einer Institution durch Insider, uneigennützig und trotz persönlicher Risiken.

Adressat der Informationen können zunächst die unmittelbaren Vorgesetzten sein, aber auch die nächst höheren Stellen oder Aufsichtsgremien unter Umgehung der Vorgesetzten und letztlich die Öffentlichkeit, wobei vor allem letzteres besondere Aufmerksamkeit erfahren hat (aktuell: Edward Snowden, weitere Beispiele s. u.).

1.2 Whisteblower (Hinweisgeber/innen)

Die Akteure werden "Whistleblower"genannt . Es sind in der Regel Beschäftigte, die interne Informationen verwenden, um auf ihrer Meinung nach bestehende Missstände aufmerksam zu machen, damit geschriebene oder ungeschriebene Regeln verletzen und persönliche Risiken in Kauf nehmen. Sie handeln vorrangig uneigennützig.

Im deutschen Sprachgebrauch wird z. T. von "Hinweisgeber/innen" gesprochen, z. B. von Transparency International Deutschland[7]). Diese Bezeichnung ist unspezifisch und erfasst damit auch, wer seine Informationen an eine dafür zuständige Vertrauensperson (Ombudsmann/ Ombudsfrau) oder anonym innerhalb eines elektronischen Informationssystems weitergibt. Aus Sicht der Korruptionsvorbeugung und -bekämpfung ist es konsequent, sich nicht an der besonderen Rolle eines sich selbst gefährdenden Hinweisgebers auszurichten sondern an der Funktion, die erfüllt werden muss. Allerdings wird damit die besondere Problematik des sich gefährdenden "Whistleblowers" nicht deutlich, weshalb eine andere deutsche Bezeichnung wünschenswert wäre - und wenn es kein passendes gibt, dann hat das Fremdwort "Whistleblower" seine Berechtigung.

Denn es braucht besondere Schutzregeln für Whistleblower, insbesondere bei Information der Öffentlichkeit, während die Einschaltung einer amtlichen, für derartige Fragen zuständigen Stelle (Ombudsmann, Datenschutzbeauftragter usw.) bereits geregelt ist.

1.3 Verhältnis zu Korruption

Whistleblowing ist umfassend verwendbar. Auch wenn Korruption ein häufiger Anwendungsfall sein mag, gibt es gerade besonders wichtige Anwendungsgebiete in anderen Bereichen, siehe die Beispiele unten: im deutschen Parteispendenskandal ging es um politische Interessen ebenso wie bei der Veröffentlichung der Pentagon-Papiere in den USA, bei BSE um den Schutz ökonomischer Interessen der Landwirtschaft und das Renommee staatlicher Institutionen, usw. Deshalb darf Whistleblowing nicht auf Prävention und Bekämpfung von Korruption eingegrenzt werden.

1.4 Abgrenzung zu Zivilcourage

Zivilcourage ist weiter gefasst, weil sie z. B. auch den Kampf gegen bereits bekannte Missstände umfasst bzw. die Aufdeckung von Missständen durch Außenstehende, etwa die Presse, bzw. generell das Eintreten für öffentliche Anliegen, das mit persönlichen Risiken verbunden ist (siehe den Klassiker: John F. Kennedy: Profiles in Courage, 1956, deutscher Titel: Zivilcourage). Seitenanfang

2. Weitere Informationen

2.0 Europarat empfiehlt erweiterten Schutz (30. April 2014)

Das Ministerkomitee des Europarats hat Empfehlungen zum Schutz von Whistleblowern verabschiedet. Die 47 Mitgliedstaaten werden aufgefordert, einen gesetzlichen und institutionellen Rahmen bereitzustellen, den Menschen nutzen können, um über Missstände zu berichten, und der sie schützt, wenn sie dies tun. Missstände beziehen sich nicht nur auf Korruption, wie früher (siehe unten), sondern auf alle Gefährdungen oder Schädigungen öffentlicher Interessen. Was "öffentliche Interessen" sind, können die Mitgliedstaaten konkretisieren, sie umfassen aber mindestens den Schutz der Rechtsordnung, der Menschenrechte, die öffentliche Gesundheit und Sicherheit und die Umwelt (Nr. 3).

2.1 Andere Definitionen

  1. Deiseroth: Whistleblower wenden sich gegen ungesetzliche, unlautere oder ethisch zweifelhafte Praktiken, die ihnen innerhalb ihres Betriebs oder ihrer Dienststelle bekannt geworden sind. Sie handeln aus primär altruistischen oder gemeinnützigen Motiven.  
  2. Definition "Whistleblower/-in" des Whistleblower-Netzwerk e.V.:

Whistleblower ist

    • Jemand (also ein Mensch oder auch eine Gruppe von Menschen) der
    • auf wirkliche oder gutgläubig angenommene Risiken, Missstände und/oder
      Rechtsverstöße,
    • deren Aufdeckung im gemeinschaftlichen bzw. öffentlichen Interesse liegt,
    • intern (d.h. innerhalb einer Organisation der er angehört oder mit der ihn eine besondere
      Beziehung verbindet) und/oder extern aufmerksam macht. Seitenanfang

Anmerkung B. K.: Diese Definition verzichtet auf den besonderen Aspekt des eigenen Risikos, also der Verletzung geschriebener oder ungeschriebener Verhaltensregeln durch die handelnde Person (den Hinweisgeber / die Hinweisgeberin). Damit wäre auch die (beamtenrechtliche) Remonstration (Gegenvorstellung gegen eine Weisung, vgl. § 38 Absatz 2 BRRG) bereits "Whistleblowing". Und Institutionen mit einer offenen Kultur, die Widerspruch und Kritik ermutigen oder zulassen, hätten dann viele "Whistleblower". Damit verliert Whistleblowing aber den Charakter als bewusste Abweichung von gängigen Verhaltensweisen, es verliert, was es auszeichnet.

Siehe zu den verschiedenen Definitionen und Perspektiven von Whistleblowing auch die RCC-Studie, S. 3 ff., 16 f.

Problematisch ist vor allem das Aufdecken von Missständen die keinen Straftatbestand erfüllen, weil das als Verletzung von Rechtsvorschriften oder arbeits- oder dienstrechtliche Regelungen interpretiert und geahndet werden kann. Neben der Gefahr rechtlichen Konsequenzen geht der Whistleblower aber auch das Risiko von anderen Sanktionen und von Mobbing ein.

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2.2 Bedeutung / Beispiele

Aktuelles

International besteht die Überzeugung, dass der Schutz von Hinweisgebern ein wichtiges Element für den erfolgreichen Kampf gegen Korruption ist. Das zeigt sich in den im Folgenden dokumentierten Erklärungen. Allerdings dient Whistleblowing nicht nur der Bekämpfung von Korruption, sondern auch dem Schutz anderer Rechtsgüter: siehe dazu das aktuelle Beispiel von Mängeln bei der Medikamentenherstellung und die früheren Beispiele aus Deutschland und den USA.

G20 vereinbart Maßnahmen gegen Korruption, u. a. durch den Schutz von Hinweisgebern

Aus der Abschlusserklärung von 12.11.2010 in Seoul, ANNEX III:
G20 Anti-Corruption Action Plan:

  1. Um Hinweisgeber, die gutgläubig einen Verdacht auf Korruption melden, vor Diskriminierung und Vergeltungsmaßnahmen zu schützen, werden die G20 Staaten bis Ende 2012 Regeln zum Whistleblower Schutz erlassen und umsetzen. Zu diesem Zweck, und unter Rückgriff auf Arbeitsergebnisse von Organisationen wie der OECD und der Weltbank, werden Experten der G20 Staaten Whistleblowerschutzgesetze und Sanktionsmechanismen prüfen, zusammengefasst darstellen, und Best Practices für eine Whistleblowerschutzgesetzgebung vorschlagen.

    (Übersetzung Björn Rohde-Liebenau, http://www.risk-communication.de)

Englische Originalfassung

  1. To protect whistleblowers, who report in good faith suspected acts of corruption, from discriminatory and retaliatory actions, G20 countries will enact and implement whistleblower protection rules by the end of 2012. To that end, building upon the existing work of organizations such as the OECD and the World Bank, G20 experts will study and summarize existing whistleblower protection legislation and enforcement mechanisms, and propose best practices on whistleblower protection legislation.

(Koreanische Online-Quelle (07.12.2010) / Kanadische Online-Quelle (26.11.2010) ( Text auf der Website der Bundesregierung nicht frei zugänglich) Seitenanfang

Parlamentarische Versammlung des Europarates fordert den Schutz von Hinweisgebern

Mit der Resolution 1729 (2010) vom 29.04.2010 hat die Parlamentarische Versammlung einen besseren Schutz von Hinweisgebern (Whistleblowern) gefordert und dazu eine Empfehlung verabschiedet (Recommendation 1916 (2010)):

Protection of “whistle-blowers”

1. The Parliamentary Assembly, referring to its Resolution 1729 (2010) on the protection of “whistle-blowers”, stresses the importance of whistle-blowing as a tool to increase accountability and strengthen the fight against corruption and mismanagement.

2. It recommends that the Committee of Ministers:

2.1. draw up a set of guidelines for the protection of whistle-blowers, taking into account the guiding principles stipulated by the Assembly in its Resolution 1729 (2010);

2.2. invite member and observer states of the Council of Europe to examine their existing legislation and its implementation with a view to assessing whether it is in conformity with these guidelines;

2.3. consider drafting a framework convention on the protection of whistle-blowers.

3. It further invites the Committee of Ministers to instruct the Secretary General of the Council of Europe to:

3.1. organise a European conference on the protection of whistle-blowers;

3.2. draw up a proposal for a strong internal whistle-blowing mechanism covering the Council of Europe and all its partial agreements.

Die Empfehlungen des Ministerkomitees vom 30. April 2014 sind die Umsetzung dieses Auftrages, siehe oben. Seitenanfang

Pharmakonzern GlaxoSmithKline duldet jahrelange Mängel bei der Herstellung von Medikamenten: Jetzt zahlt er mehr als 750 Millionen Dollar (Quelle)

Der Pharmakonzern GlaxoSmithKline schlampte jahrelang bei der Herstellung von Medikamenten in einem der größten Werke: "Eine verseuchte Babysalbe, ein wirkungsloses Antidepressivum, ein falsches Mittel in der Packung - über Jahre hinweg herrschten chaotische Zustände". Eine Qualitätsmanagerin hatte den Konzern auf die Mängel hingewiesen, aber ohne Erfolg. Als sie nicht aufhörte, die Missstände anzuprangern, wurde sie entlassen, und wandte sich dann an die US-amerikanischen Behörden. Nach jahrelangen Ermittlungen einigte sich der Pharmariese auf eine Geldbuße von 750 Millionen Dollar - die "Whistleblowerin" erhält davon 96 Millionen Dollar, denn nach US-amerikanischem Recht steht Informanten ein Anteil an der Strafzahlung zu.

Der Fall zeigt, welche Bedeutung Whistleblowing auch zum Schutz von Patienten haben kann, und dass das Vertrauen auf die Qualität der Medikamente der großen Pharmafirmen nicht immer berechtigt ist: das Werk lieferte auch nach Europa. Qualitätsmanagement darf sich nicht in der Bestellung und Bezahlung von Personen erschöpfen, die dann doch nicht gehört werden (mehr dazu ...).

Die FAZ berichtet weiter: "Nach der hohen Geldbuße für GSK wachsen nun in der Pharmabranche die Befürchtungen, dass der Fall Schule macht. 'Dieser Fall wird die Art und Weise, wie Pharmaunternehmen ihre Fabriken betreiben, verändern', sagte" der Anwalt der Informantin.

Quelle: FAZ vom 28.10.2010, S. 18 und Artikel im Online-Angebot der FAZ. Siehe auch den Bericht in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) vom 29. Oktober 2010, «Whistle-blowing» als Geschäft. Seitenanfang

Deutschland

Beispiele für den Bereich der Politik / der Verwaltung:

Die Thematik ist in Deutschland durch die Verleihung des Whistleblower-Preises[1] 2001 an die Tierärztin Dr. Margrit Herbst etwas bekannter geworden. Sie hatte gegen den Widerstand ihrer Vorgesetzten auf die BSE-Problematik aufmerksam gemacht und war schließlich damit in die Öffentlichkeit gegangen, daraufhin vom Kreis entlassen und vom Schlachthofbetreiber auf Schadensersatz verklagt worden.

Auch die Aufdeckung des Parteispendenskandals geht auf "rechtswidriges" Verhalten zurück: der ermittelnde Steuerbeamte übersandte die Akten der Finanzverwaltung - entgegen einer dienstlichen Weisung - der Staatsanwaltschaft, die daraufhin die Ermittlungen einleitete.  Seitenanfang

International

International hat sich Whistleblowing zum Teil schon deutlich von der Perspektive des Schutzes von Hinweisgebern weiterentwickelt zu der Erkenntnis, dass es positiv Teil einer ethisch begründeten Verwaltungskultur sein muss und deshalb auch einzubeziehen ist in Strategisches Integritätsmanagement (siehe dazu den Beitrag in Wikipedia) und in Verwaltungsethik (Quellen zu Verwaltungsethik).

Politisch ist das Thema verbunden mit der Pressefreiheit, die ebenfalls für die Beteiligten mit persönlichen Gefahren verbunden sein kann, siehe die Veröffentlichung angeblich geheimer Informationen durch die Medien, die z. B. die Spiegel-Affäre ausgelöst hat[5], in Deutschland sowie für die USA z. B. die Veröffentlichung der Pentagon-Papiere (dazu unten). "Whistleblower" im eigentlichen Sinne sind dabei aber nicht die Journalisten, sondern diejenigen, die der Presse interne Informationen weitergeben.

Europäische Union

Auch in der Europäischen Union ist das Thema aktuell. Ein Gutachten (veröffentlicht Mai 2006) hat die Situation dokumentiert und geprüft ob es sich empfiehlt, Regeln, orientiert an ""best practice" zu erlassen. In diesem Zusammenhang systematisiert das Gutachten die Problematik und die Lösungsansätze und formuliert Vorschläge für die Weiterentwicklung der -Regelungen. Seitenanfang

USA

In den USA ist Whistleblowing zunächst politisch wichtig geworden, etwa durch die Veröffentlichung geheimer Papiere des Verteidigungsministeriums, mit der die amtliche Begründung für den Vietnam-Krieg in Frage gestellt wurde (vgl. den Beitrag von 3Sat: Wenn Präsidenten lügen. Daniel Ellsberg und die Pentagon Papers).

In den USA gibt es gesetzliche Regelungen (z. B. im Sarbanes-Oxley Act), die willkürliche Maßnahmen des Arbeitgebers bestrafen bzw. dem betroffenen Arbeitnehmer Schutz gewähren, und entsprechende Literatur (Tom Devine: The Whistleblower's Survival Guide, Washington 1997). Zum Schutz gehört auch die Beweiserleichterung für den Betroffenen.

Die aktuelle Diskussion ist geprägt durch die spektakulären Unternehmenszusammenbrüche von ENRON u. a.. Whistleblowing wird in diesem Zusammenhang als Stärkung des Kampfes gegen illegale Management-Praktiken gesehen (siehe die Feststellungen und Empfehlungen des "Conference Board. Commission on Public Trust and Private Enterprise"[2]). Dass Whistleblower Schutz benötigen ergibt sich aus den von der Kommission zitierten Ergebnissen, nach denen 69% der Befragten angeben, als Folge der Weitergabe von Informationen entlassen oder gezwungen worden zu sein in den Ruhestand zu gehen[3]. Seitenanfang

Commission on Standards in Public Life (UK):

The Seven Principles of Public Life
The Committee has set out ‘Seven Principles of Public Life’ which it believes should apply to all in the public service. These are:

Selflessness
Holders of public office should act solely in terms of the public interest. They should not do so in order to gain financial or other benefits for themselves, their family or their friends.

Integrity
Holders of public office should not place themselves under any financial or other obligation to outside individuals or organisations that might seek to influence them in the performance of their official duties.

Objectivity
In carrying out public business, including making public appointments, awarding contracts, or recommending individuals for rewards and benefits, holders of public office should make choices on merit.

Accountability
Holders of public office are accountable for their decisions and actions to the public and must submit themselves to whatever scrutiny is appropriate to their office.

Openness
Holders of public office should be as open as possible about all the decisions and actions that they take. They should give reasons for their decisions and restrict information only when the wider public interest clearly demands.

Honesty
Holders of public office have a duty to declare any private interests relating to their public duties and to take steps to resolve any conflicts arising in a way that protects the public interest.

Leadership
Holders of public office should promote and support these principles by leadership and example.

Großbritannien / UK (Vereinigtes Königreich)

In Großbritannien gewährt der "Public Interest Disclosure Act 1998" (PIDA), in Kraft seit 1999, Schutz für couragierte Warner (Online-Quelle des Gesetzestextes mit Anmerkungen). Die Situation wird regelmäßig beobachtet und bewertet von der "Commission on Standards in Public Life (CSPL)", einem Sachverständigenrat für Verhaltensstandards und Ethik in der öffentlichen Verwaltung. Er hat seit Mitte der 90er Jahre auch Regelungen für Whistleblowing gefordert die es ermöglichen, Beschwerden vertraulich intern und anonym und wenn notwendig auch außerhalb der jeweils betroffenen Organisation vorzubringen[4].

Die Kommission stützt sich bei ihrer Arbeit auf "Public Concern at Work", eine gemeinnützige Organisation mit dem Motto "Making Whistleblowing Work" , die weithin als Autorität in diesen Fragen anerkannt ist und bei entsprechenden Fragen konsultiert wird.

Die Kommission stellt die Durchsetzung der Richtlinien für ethisches Verhalten einschließlich Whistleblowing in den Zusammenhang mit der Kultur der Verwaltung (siehe dazu für Deutschland Faust mit weiterführenden Hinweisen und internationalen Beispielen). Seitenanfang

Das britische System wird heute international als am erfolgreichsten angesehen, mit zahlreichen Meldungen aus allen Teilen des öffentlichen Diensts und der privaten Wirtschaft, deren hoher Nutzen anerkannt wird. Dazu trägt auch der Schutz der Whistleblower bei, die sich gegen Nachteile gerichtlich wehren können. Von den gerichtlich entschiedenen Fällen gingen 46% zu Gunsten der Kläger (Whistleblower) aus, denen durchschnittlich eine Entschädigung von mehr als 100.000 GBP zugesprochen wurde (siehe den Bericht von Public Concern at Work).

Die Regierungskommission (CSPL) sagt aber mit aller Deutlichkeit, dass solche Fälle bereits das Versagen der Mechanismen für "Whistleblowing" dokumentieren.

Bei einer Interpretation für die deutsche öffentliche Verwaltung ist zu berücksichtigen, dass die Regelungen, um die es hier geht, zum Teil "formal" dem beamtenrechtlichen Remonstrationsrecht entsprechen, das in der Verwaltungspraxis aber kaum Bedeutung hat und dessen Wirkung auch nicht beobachtet und ausgewertet wird. Auch in dieser Hinsicht könnte die Praxis im UK Vorbild sein.

UN

Der Generalsekretär der Vereinten Nationen hat Ende 2005 eine Regelung zu Whistleblowing erlassen, die vor allem Hinweisgeber schützen und damit einen Beitrag zur Bekämpfung der Korruption leisten soll, siehe Secretary-General’s Bulletin: Protection against retaliation for reporting misconduct and for cooperating with duly authorized audits or investigations, 19 December 2005, United Nations ST/SGB/2005/21 (2006-01-23). Die Regelung versteht sich als Teil der UN-Reform.

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2.3 Beziehung zu anderen Themen

Whistleblowing und Korrputionsbekämpfung

Nicht nur für die UN hat Whistleblowing eine wichtige Funktion im Rahmen der Korruptionsbekämpfung. Denn Korruption ist ein "Heimlichkeitsdelikt", so dass die Information über den Kreis der Eingeweihten hinaus besondere Bedeutung hat. Deshalb widmet sich Transparency International auch diesem Thema (siehe dazu oben und den Quellenhinweis unten).

Whistleblowing und Management

"Whistleblowing" signalisiert einen Dissens im Unternehmen, der nicht entstehen sollte, wenn Unternehmen Umfassendes Qualitätsmanagent (TQM), etwa in Gestalt des EFQM-Modells, praktizieren. Zur Bedeutung des Phänomens und den Chancen allgemein ("Dissensmanagement" - moralisches Handeln als Investition in die Zukunft des Unternehmens) siehe die Veröffentlichung von Leisinger, die weiteren Quellenangaben sowie die folgenden Informationen.

Zur Unternehmensethik allgemein siehe auch die Beiträge im Zusammenhang mit Corporate Governance und Good (Public) Governance. Seitenanfang

2.4 Whistleblowing - eine Chance für die öffentliche Verwaltung?

Für den Bereich der öffentlichen Verwaltung ist zu fragen, ob die mangelnde Transparenz und Erfolgsorientierung - und damit die noch geringere Kontrolle als in der Privatwirtschaft - nicht in besonderem Maße solche Aktivitäten erforderlich machen und die Politik dies bewusst fördern sollte, um die Weiterentwicklung der Führungskultur zu fördern. Dabei könnte sie sich an dem englischen Beispiel orientieren.

Auch die Möglichkeiten des Internet-Zeitalters könnten genutzt werden, z. B. durch Web-Zeitschriften im Intranet, in die Mitarbeitende auf einfache Weise auch kritische Beiträge einstellen können und in denen Probleme zur Diskussion gestellt werden.

Die Situation allgemein und in der Schweiz wird in dem Beitrag von Ledergerber 2009 beschrieben. Danach fehlen in der Schweiz Regeln für Whistleblowing in der Bundesverwaltung, das Thema hat aber zunehmendes Gewicht in der Diskussion.

Eine begrenzte Regelung enthält das Beamtenrecht in § 37 Abs. 2 Nr. 3 Beamtenstatusgesetz bzw. § 67 Abs. 2 Nr. 3 Bundesbeamtengesetz. Beamte dürfen "einen durch Tatsachen begründeten Verdacht einer Korruptionsstraftat nach den §§ 331 bis 337 StGB" "gegenüber der zuständigen obersten Dienstbehörde, einer Strafverfolgungsbehörde oder einer von der obersten Dienstbehörde bestimmten weiteren Behörde oder außerdienstlichen Stelle" anzeigen. Diese Regelung dient der Umsetzung von Artikel 9 des Zivilrechtsübereinkommens über Korruption des Europarats vom 4. November 1999, in dem die Verpflichtung zum Schutz von Beschäftigten geregelt ist:

Artikel 9 – Schutz von Beschäftigten

Jede Vertragspartei sieht in ihrem innerstaatlichen Recht vor, dass Beschäftigte, die den zuständigen Personen oder Behörden in redlicher Absicht einen begründeten Korruptionsverdacht mitteilen, angemessen vor ungerechtfertigten Nachteilen geschützt werden.  

3 Quellen

Dehn, Guy / Calland, Richard (Hrsg.) Whistleblowing Around the World - Law, Culture and Practice. IDASA (Institute for Democracy in South Africa) 2004

Deiseroth, Dieter: Whistleblowing in Zeiten von BSE. Berlin 2001

Faust, Thomas: Verwaltung zwischen Transparenz und dienstlicher Diskretion. Beamtenstatusgesetz ermöglicht das so genannte „Whistleblowing“. In: Innovative Verwaltung 2009, S. 22-24

Ledergerber, Zora: Whistleblowing – auch ein Thema der öffentlichen Verwaltung. Beitrag vom 30.12.2009 im SGVW Wissensportal

Leisinger, Klaus: Whistleblowing und Corporate Reputation Management. München 2003

Rohde-Liebenau, Björn: Whistleblowing – Beitrag der Mitarbeiter zur Risikokommunikation. 2005 (Edition der Hans-Böckler-Stiftung Nr. 159)

Rohde-Liebenau, Björn: Whistleblowing Rules: Best Practice; Assessment and Revision of Rules Existing in Institutions. Online-Quelle

Schönefeldt, Ute: Systeme und Spielregeln für anonyme Hinweise. Whistleblowing als neues Instrument im Ethik-Management. In: Personalführung 12/2005, 36 - 42. Online-Quelle

Stocker, Livio: Whistleblowing ist beim Bund ein Tabuthema. Beitrag vom 25.02.2008 im SGVW Wissensportal

Transparency International Deutschland e. V.: Informationen für Hinweisgeber, Hinweisgebersysteme usw.

Zimmermann, Georg von: Whistleblowing und Datenschutz. In: Recht der Datenverarbeitung 22 (2006), 6, S. 242 - 249 Seitenanfang

Siehe auch verschiedene Buchbesprechungen, die z. T. ergänzende Hinweise geben, u. a.

  • Zora Ledergerber: Whistleblowing – auch ein Thema der öffentlichen Verwaltung. SGVW-Wissensportal, 2009. Online-Quelle
  • Heinz K. Stahl: Ein Ventil für Überdruck im Unternehmen - "Whistleblowing" als neue unternehmensethische Kategorie (Besprechung des Buches von Klaus Leisinger), FAZ vom 15.12.2003, S. 12
  • Hans-Jochen Luhmann: Plädoyer für das Recht, Alarm zu schlagen (Besprechung des Buches von Dieter Deiseroth), NZZ vom 06.04.02:
  • Besprechung des Buches von Klaus Leisinger, NZZ vom 10. Juni 2003

Diese Beiträge sind jeweils auch online verfügbar. Seitenanfang

Thema "Verwaltungsethik"

Barbirz, Felix: Institutionelle Befangenheit: Eigeninteressen von Subjekten öffentlicher Verwaltung als Einfluss auf die Verwaltungsentscheidung. Baden-Baden 2010

Faust, Thomas: Organisationskultur und Ethik: Perspektiven für öffentliche Verwaltungen. Berlin 2003

Online-Quelle zu Verwaltungsethik: informativ, aktuell und mit weiteren Quellenangaben der Beitrag Verwaltungsethik in Wikipedia, der allerdings

Themen, die jeweils auch rechtlich und ethisch einwandfreies Verhalten der Führungskräfte und der Beschäftigten einbeziehen und den Stellenwert von Whistleblowing durch das Gesamtkonzept unterstützen können.

Thema "Zivilcourage" in der öffentlichen Verwaltung:

Lange, Erhard H. M. : Zivilcourage im öffentlichen Dienst in Vergangenheit und Gegenwart. Schriftenreihe der FH Bund; Brühl 2002

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Anmerkungen

Zurück zum TextDer Whistleblower-Preis wurde von der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW), der deutschen Sektion der International Association of Lawyers Against Nuclear Arms (IALANA) sowie der Ethikschutz-Initiative des International Network for Engineers and Scientists for Social Responsibility (INESPE) gestiftet und erstmals im Jahre 1999 vergeben.

Weitere Preisträger:
- 1999: Alexander Nikitin (ehemaliger Chefinspektor für atomare Sicherheit der russischen Marine, St. Petersburg).
- 2003: der US-amerikanische Politologe Dr. Daniel Ellsberg für sein Lebenswerk (u.a. Anfang der 70er Jahre Publikation der sogenannten »Pentagon-Papers« zum Vietnam-Krieg).

Zurück zum TextThe Conference Board. Commission on Public Trust and Private Enterprise. Findings and Recommendations. Part 2: Corporate Governance. Part 3: Audit and Accounting. January 9, 2003. Online-Quelle (2006-05-30)

Zurück zum Text The Conference Board ([FN2], S. 14): "Of 300 whistle-blowers interviewed, 69% said they had lost their jobs or were forced to retire as a result." unter Hinweis auf Joyce Rothschild and Terance D. Miethe, "Whistle-Blower Disclosures and Management Retaliation," Work and Occupations, vol. 26, no. 1 (February 1999), p. 120.Zurück zum Text siehe z. B. den 3. Bericht, 1997, Empfehlung R26 sowie zusammenfassend die neun Empfehlungen aller Berichte in der Aufbereitung durch "Public Concern at Work", Stand: Mai 2006.

Aus dem 10. Bericht, "Getting the Balance Right. Implementing Standards of Conduct in Public Life, Abschnitt 4.3:

"Whistleblowing is the "pursuit of a concern about wrongdoing that does damage to a wider public interest" [Public Concern at Work, 22/96/05]. It is therefore part of the continuum of the communication process which begins with raising a wrongdoing with a line manager, but goes beyond that if the line manager does not deal with it or is not the appropriate person to be approached [Guy Dehn 15.06.04 508]. As the Committee noted in its Third Report [15, page 48], the essence of a whistleblowing system is that staff should be able to by-pass the direct management line, because that may well be the area about which their concerns arise, and that they should be able to go outside the organisation if they feel the overall management is engaged in an improper course. Effective whistleblowing is therefore a key component in any strategy to challenge inappropriate behaviour at all levels of an organisation. It is both an instrument in support of good governance and a manifestation of a more open organisational culture.

Zurück zum Text siehe dazu P. Borowsky in den "Informationen zur politischen Bildung", Heft 258, der Bundeszentrale für Politische Bildung, 2006

Zurück zum TextDie Bezeichnung leitet sich von der Praxis der englischen Bobbies ab, die mit ihrer Pfeife alarmieren, wenn sie eine Straftat bemerken, um damit andere Ordnungshüter herbeizurufen und die Allgemeinheit vor der Gefahr zu warnen - so die Erläuterung in der englischen Ausgabe von Wikipedia mit Quellenangabe. Anders - aber wohl weniger treffend - die Erklärung des Wortes in der deutschen Fassung von Wikipedia.

7 Zurück zum TextSiehe auf der Website von Transparency International Deutschland e. V. die Informationen zum Stichwort "Hinweisgeber" mit weiteren Dokumenten.