aktivierender Staat
(Beitrag im Online-Verwaltungslexikon olev.de, Version 1.23)

1. Definition

Konzept einer "neuen Verantwortungsteilung zwischen Staat und Gesellschaft", das der Selbstregulierung Vorrang vor staatlicher oder hierarchischer Steuerung oder Aufgabenübernahme einräumt.

Im Verhältnis Staat zu Gesellschaft ist das Konzept eine Weiterentwicklung des Gedankens der Subsidiarität der katholischen Soziallehre: Begrenzung staatlicher Regulierung und/oder Leistungserbringung zugunsten gesellschaftlicher Kräfte (der Einzelne, Gruppen, Verbände), ggf. Unterstützung dieser Aktivitäten.

Auch intern (innerhalb der Exekutive) gilt der Vorrang der Selbstregulierung, z. B. durch Kontraktmanagement, umfassender das Neue Steuerungsmodell und speziell die Variante Wirkungsorientierte Verwaltungsführung. Seitenanfang

2. Weitere Informationen
aktivierender Staat - Online-Verwaltungslexikon

Bedeutung

Den "Aktivierenden Staat" hat die rot-grüne Bundesregierung zum Leitbild für die Modernisierung von Staat und Verwaltung erklärt, siehe das Programm der Bundesregierung von 1999 sowie die Fortschreibung des Konzepts der Bundesregierung 2004.

Konkrete Folgerungen sind z. B.

Ein erhebliche Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang den Nicht-Regierungsorganisationen (NGO) zu, die im Rahmen von Umwelt und Entwicklung international regelmäßig eingebunden werden und die wichtige Aufgaben im Rahmen der Agenda 21 erfüllen. Mehr zu Rolle der NGO's ...

Herleitung

Weitere ideengeschichtliche und politische Quellen der Konzeption sind

(Vgl. dazu die Beiträge in Mezger, Erika / West, Klaus W. (Hrsg.) : Aktivierender Sozialstaat und politisches Handeln. Marburg 2000).

Zur Entstehungsgeschichte des Konzepts in Deutschland siehe Bernhard Blanke: Erzählungen zum aktivierenden Staat. In: Verwaltung und Management 2009, S. 115-125. Online-Quelle

Das Konzept der Bundesregierung 1999

Aus dem Beschluss des Bundeskabinetts vom 1. Dezember 1999: Moderner Staat - Moderne Verwaltung, Leitbild und Programm (Quelle im Internet)

Abschnitt I - Leitbild

1. Neue Verantwortungsteilung

Staat und Verwaltung müssen ihre Aufgaben und ihre Verantwortung unter veränderten gesellschaftlichen Bedingungen neu definieren. Der aktivierende Staat wird die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung dort fördern, wo dies möglich ist. So wird sich die Erfüllung öffentlicher Aufgaben nach einer neuen Stufung der Verantwortung zwischen Staat und Gesellschaft richten:

Zum einen bleibt es bei der Verpflichtung des Staates, Freiheit und Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger als Kernbereich in seiner alleinigen Verantwortung zu schützen (z. B. innere Sicherheit, Rechtsschutz, Finanzverwaltung). Daneben gibt es einen großen Bereich anderer, bisher als öffentlich angesehener Aufgaben, die sichergestellt, aber nicht unbedingt durch staatliche Organe selbst durchgeführt werden müssen. In diesem Bereich muss der Staat jedenfalls die Erfüllung der Aufgaben gewährleisten.

Das Leitbild des aktivierenden Staates nimmt diese neue Verantwortungsteilung zwischen Staat und Gesellschaft auf. Eine darauf ausgerichtete Staats- und Verwaltungsreform muss eine neue Balance zwischen staatlichen Pflichten und zu aktivierender Eigeninitiative und gesellschaftlichem Engagement herstellen. Der Staat ist dann weniger Entscheider und Produzent, als vielmehr Moderator und Aktivator der gesellschaftlichen Entwicklungen, die er nicht allein bestimmen kann und soll. Aktivierender Staat bedeutet, die Selbstregulierungspotentiale der Gesellschaft zu fördern und ihnen den notwendigen Freiraum zu schaffen. Im Vordergrund muss deshalb das Zusammenwirken staatlicher, halbstaatlicher und privater Akteure zum Erreichen gemeinsamer Ziele stehen. Dieses Zusammenwirken muss entwickelt und ausgestaltet werden. Vor allem dem Bund fällt hierbei die Aufgabe zu, die rechtlichen Rahmenbedingungen für einen bürgerorientierten und partnerschaftlichen Staat mit einer effizienten Verwaltung zu schaffen.

(Ende des Zitats)  

Anlage 7 zu § 43 Abs. 1 Nr. 3 GGO

Prüfkatalog zur Feststellung von Selbstregulierungsmöglichkeiten

Bei der Abwägung nach § 43 Abs.1 Nr. 3 GGO dient der folgende Fragenkatalog als Hilfestellung:

1. Welches Regulierungssystem ist dem Problem angemessen? Reicht eine gesellschaftliche Selbstregulierung aus - etwa durch Selbstbeschränkungsabkommen oder Selbstverpflichtungen? Welche Strukturen oder Verfahren sollten staatlicherseits bereitgestellt werden, um Selbstregulierung zu ermöglichen? Besteht die Möglichkeit, eine gesellschaftliche Selbstregulierung staatlich vorzuschreiben?
2.

Sofern die Aufgabe von nichtstaatlichen Trägern oder Privaten erfüllt werden kann:

  • Wie wird sichergestellt, dass die nichtstaatlichen Leistungsanbieter ihre Leistungen gemeinwohlverträglich erbringen (flächendeckendes Angebot etc.)?
  • Welche Regulierungsmaßnahmen und welche Regulierungsinstanzen sind dafür erforderlich?
  • Wie kann im Falle der Schlechterfüllung sichergestellt werden, dass die Aufgabe auf staatliche Stellen rückübertragen werden kann?
3. Kann das Problem in Kooperation mit Privaten gelöst werden? Welche Anforderungen sind an die rechtliche Ausgestaltung solcher Kooperationsbeziehungen zu stellen? Welche praktische Ausgestaltung ist geeignet und erforderlich, um solche Kooperationsbeziehungen organisatorisch zu ermöglichen oder zu begleiten?
 
4. Wenn nur eine Zweck- oder Programmsteuerung dem Problem angemessen erscheint: Welche rechtsstaatlich gebotenen Mindestgehalte der rechtlichen Regelung sind zu beachten? (z. B. Vorgaben über Zuständigkeit, Ziel, Verfahren etc.)

 



http://www.olev.de/a/aktiver_staat.htm

© Copyright: Prof. Dr. Burkhardt Krems,
Köln,  2009-12-09

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