Nachhaltigkeit (Sustainability)

(Beitrag im Online-Verwaltungslexikon olev.de, Version 1.72)

1 Definition

allgemein Dauerhaftigkeit, langfristig stabil, weil ohne Überlastung, unter Schonung der Ressourcen und im Einklang mit dem Umfeld/der Umwelt betrieben. Heute überwiegend verwendet in der Bedeutung

"Nachhaltige Entwicklung", d. h. einer "Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen." (Weltkommission für Umwelt und Entwicklung ("Brundtland-Kommission") 1987).

Es geht um die gleichrangige Berücksichtigung von ökonomischen, ökologischen und sozialen Belangen in einer zukunftssicheren Entwicklung.

Aktuelle Definitionen und umfangreiche Materialien enthält das Lexikons der Nachhaltigkeit, dort gibt es auch eine umfangreiche Sammlung von Definitionen aus älteren und aus internationalen Quellen und weiteren grundsätzlichen Aussagen nach dem Stand 2002.

Der Fortschrittsbericht 2008 der Bundesregierung definiert Nachhaltigkeit wie folgt:

Nachhaltigkeit zielt auf die Erreichung von Generationengerechtigkeit, sozialem Zusammenhalt, Lebensqualität und Wahrnehmung internationaler Verantwortung. In diesem Sinne sind wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und soziale Verantwortung so zusammenzuführen, dass Entwicklungen dauerhaft tragfähig sind.

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2 Weitere Informationen

Die Bewertung der Nachhaltigkeit kann mit Hilfe von Indices geschehen, siehe unten, in der EU durch Eurostat unter Verwendung von Nachhaltigkeits-Indikatoren im Rahmen der EU-Strategie für nachhaltige Entwicklung.

2.1 Entstehung

Entstanden als Prinzip, wonach natürliche Ressourcen so genutzt werden, dass sie langfristig nutzbar bleiben (nachhaltige Forstwirtschaft, langfristige umweltverträgliche Nutzung), das Gegenteil von Raubbau. Die Brundtland-Kommission hat 1987 die auch heute noch gültige Definition für "nachhaltige Entwicklung" formuliert, die seit der Konferenz von Rio 1992 international anerkannt ist als Forderung nach einer Entwicklung die darauf Rücksicht nimmt, "dass den Entwicklungs- und Umweltbedürfnissen künftiger Generationen in gerechter Weise entsprochen wird". Das erfordert zusätzlich zur Umweltverträglichkeit auch Sozialverträglichkeit und Verwirklichung der Menschenrechte.

Eine Kultur blüht, wenn Menschen Bäume pflanzen, in deren Schatten sie niemals sitzen werden. (Griechisches Sprichwort, zitiert von Hillary Clinton, Eine Welt für Kinder, 1996, S. 315)

2.2 Geltung

Maßnahmen zur Umsetzung weltweit, aber alle Ebenen umfassend ("global denken, lokal handeln") sieht die auf der Konferenz von Rio 1992 beschlossene Agenda 21 vor, für die es in Deutschland zahlreiche Initiativen auf den unterschiedlichsten Ebenen gibt. Dabei spielen vor allem gesellschaftliche Gruppen (NGOs, Nicht-Regierungsorganisationen) eine wichtige Rolle. Auch die Bundesrepublik bekennt sich zu dem Prinzip der nachhaltigen Entwicklung.

Soweit das Prinzip einer nachhaltigen Entwicklung nicht Völkerrechtsqualität und damit gemäß Art. 25 GG innnerstaatliche Wirkungen hat, sind wesentliche Elemente durch Art. 20a GG verfassungskräftig, allerdings ergeben sich aus diesen staatlichen Verpflichtungen nicht unbedingt Klagerechte Einzelner.

Zur Politik auf Bundesebene siehe die Nachweise über die Website des Rates für Nachhaltige Entwicklung.

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2.3 Nachhaltigkeit in der EU

Die EU-Strategie für nachhaltige Entwicklung, die vom Europäischen Rat in Göteborg im Juni 2001 angenommen und im Juni 2006 erneuert wurde, zielt darauf ab, die wirtschaftliche Entwicklung, den sozialen Zusammenhalt und den Umweltschutz in Einklang zu bringen. Ein wesentliches Element der Strategie ist die Beobachtung der Entwicklung durch Eurostat mit Hilfe geeigneter Nachhaltigkeits-Indikatoren sowie die Berichterstattung gegenüber dem Rat.

Nachhaltigkeit wird langfristig kein Wettbewerbsvorteil, sondern notwendige Voraussetzung zur Teilnahme am globalen unternehme-rischen Geschehen sein.
Fischer / Lenz 2010

2.4 Nachhaltigkeit in der Privatwirtschaft

Die Berücksichtigung von Nachhaltigkeit ist Teil des Umfassenden Qualitätsmanagements - TQM - und wird von wichtigen international tätigen Unternehmen ausdrücklich als Teil der Unternehmenspolitik angesehen. Die Situation im Gesamtkontext systematischen Managements und die aktuellen Probleme, wenn Nachhaltigkeit wirksam umgesetzt werden soll, werden zusammenfassend in dem Beitrag von Fischer und Lenz dargestellt, die Situation empirisch im KPMG-Handbuch zur Nachhaltigkeitsberichterstattung 2008/09 aufbereitet.

Neben der Berichterstattung können Bewertungssysteme wichtig sein, die darüber informieren sollen, wie die Nachhaltigkeitspolitik von Unternehmen einzuschätzen ist: Nachhaltigkeitsindices (mehr dazu).

2.5 Nachhaltigkeit als Management-Prinzip für die öffentliche Verwaltung?

Zu diskutieren ist, ob Nachhaltigkeit auch eine Orientierung für das Management der öffentlichen Verwaltung sein sollte/müsste. Z. B. sollte das Prinzip der Nachhaltigkeit Bestandteil der Definition von Wirtschaftlichkeit sein (siehe im Beitrag "Wirtschaftlichkeit") .

Zum Stand in der öffentlichen Verwaltung vermerkt das Umweltbundesamt:

"Behörden und andere öffentliche Einrichtungen haben, trotz zahlreicher Aktivitäten zum Beispiel im Rahmen der lokalen Agenda 21, bislang eine eher untergeordnete Rolle in der Diskussion über eine nachhaltige Entwicklung in Deutschland gespielt. Die Umsetzung einer nachhaltigen und dauerhaft umweltgerechten Entwicklung ist aber eine Herausforderung, der sich auch und gerade die öffentliche Hand stellen muss." (Übernommen am 1.10.2005)

Die "Global Reporting Initiative" - GRI - veröffentlicht Anleitungen für die Dokumentation von Nachhaltigkeit durch Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung. Damit wird auch Benchmarking ermöglicht. Online-Quelle.

Zu dieser Anleitung ("Supplement" als sektorspezifische Ergänzung der Richtlinien) führt sie aus:

The Supplement has been designed for general use by Public Agencies operating in the three main tiers of government (national, regional, local). While acknowledging the different functions and responsibilities of Public Agencies (hence the different operational impacts), the GRI Framework creates a common, comparable reporting framework that allows for suitable benchmarking. It provides organisations the unique opportunity to reflect on their sustainability performance individually as well as in comparison with others. The GRI Reporting Framework is voluntary and its flexible structure allows reporting organisations to determine the best way to apply it to their specific situation.

Siehe auch die Informationen des International Council for Local Environmental Initiatives ICLEI http://www.iclei.org/.

Die Bemühungen der Bundesregierung um Nachhaltigkeit sehen keinen spezifischen Beitrag der öffentlichen Verwaltung selbst - für ihr eigenes Handeln - vor, sondern verstehen Regierung und Verwaltung lediglich als Verantwortliche für Nachhaltigkeit in ihrem Handeln nach außen. Das Stichwort "Verwaltung" fehlt z. B. im Fortschrittsbericht 2008 der Bundesregierung.

Das zeigt sich auch darin, dass Nachhaltigkeit in der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) als Prüfpunkt im Rahmen der Gesetzesfolgenabschätzung verankert worden ist. Die generelle Verpflichtung, "die beabsichtigten Wirkungen und die unbeabsichtigten Nebenwirkungen" darzustellen sowie ob und nach welchem Zeitraum zu prüfen ist, ob die beabsichtigten Wirkungen erreicht worden sind und ob die entstandenen Kosten in einem angemessenen Verhältnis zu den Ergebnissen stehen (d. h. die Kosten-Wirksamkeit), wird in § 44 Absatz 1 Satz 3 GGO konkretisiert:

Es ist darzustellen, ob die Wirkungen des Vorhabens einer nachhaltigen Entwicklung entsprechen, insbesondere welche langfristigen Wirkungen das Vorhaben hat.

Werden diese Regelungen sachkundig umgesetzt, würde Nachhaltigkeit einen hohen Stellenwert bei Gesetzgebungsvorhaben erlangen, Regelungen für das Verwaltungshandeln selbst fehlen.

Im übrigen gibt es eine umfangreichere Diskussion zum Thema "Nachhaltigkeit" lediglich als Kriterium im Beschaffungsbereich (siehe z. B. das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie 2007).

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2.6 Nachhaltigkeits-Berichterstattung

Für die Nachhaltigkeits-Berichterstattung steht das international weithin akzeptierte und verwendete Konzept der Global Reporting Initiative- GRI - zur Verfügung[4] . Allerdings ist die Nachhaltigkeits-Berichterstattung freiwillig, die Angaben werden oft nicht überprüft (Fischer / Lenz 2010), und die Berichterstattung ist oft inputorientiert: es werden Aktivitäten dokumentiert unabhängig davon, welche Ergebnisse erzielt wurden. Zur Vorbeugung gegen und Bekämpfung von Korruption werden z. B. folgende Indikatoren verwendet[5]:

CORRUPTION
SO2 Percentage and total number of business units analyzed for risks related to corruption.
SO3 Percentage of employees trained in organization’s anti-corruption policies and procedures.
SO4 Actions taken in response to incidents of corruption.

Solche Daten sind ohne Vergleiche (Entwicklung im Zeitvergleich, Vergleich mit anderen / Benchmarking, Soll-Ist-Vergleich: siehe die Problematik von Kennzahlen) wenig aussagekräftig und sagen insbesondere nicht, welchen Erfolg sie hatten. Aussagefähiger könnten Nachhaltigkeitsindices sein: siehe im Folgenden.

2.7 Nachhaltigkeitindices

2.7.1 Gesellschaftliche Nachhaltigkeitsindices der Bundesregierung

Die Nachhaltigkeit der Politik und ihrer Umsetzung wird von der Bundesregierung durch regelmäßige Fortschrittsberichte dokumentiert, siehe z. B. den Fortschrittsbericht 2008.

Einen Auszug der Schlüsselindikatoren findet sich dort auf den S. 208-210 und hier im Online-Archiv.

2.7.2 Nachhaltigkeitindices für Unternehmen

Die Bemühungen von Unternehmen um Nachhaltigkeit werden durch verschiedene Indices dokumentiert, z. B. den Dow Jones Sustainability Index. Er kombiniert ökonomische, ökologische und soziale Faktoren zu einer Gesamtbewertung. Dieser Bewertung stellen sich auch verschiedene deutsche Großunternehmen und erreichen z. T. Spitzenplätze (z. B. BWM im Jahr 2005 und Volkswagen im Jahr 2004[1] ).

Drei Beispiele international tätiger Unternehmen[2]:

Schonung natürlicher Ressourcen:

  • "Philips hat den Eiffelturm in Paris mit einer neuen Beleuchtung ausgestattet. Die hat im Vergleich zu früher den Energieverbrauch um 38 Prozent reduziert, und das bei höherer Lichtausbeute. "
  • "BMW erzielte 2003 je eingesetzten Kubikmeter Wasser in der Produktion einen operativen Gewinn von 923 Euro, erheblich mehr als der in der Automobilbranche ermittelte Durchschnitt von 96 Euro."

Soziale Standards:
"Adidas-Salomon hat für seine in Asien angesiedelten Zulieferbetriebe einen Verhaltenskodex aufgestellt: Kinder unter 15 Jahren dürfen in den Betrieben nicht arbeiten; die Wochenarbeitszeit von 60 Stunden - oder, wo gesetzlich weniger vorgeschrieben - muß eingehalten werden; Mitarbeiter haben das Recht, ihre Interessen in Vereinigungen wahrnehmen zu dürfen. Das ist in Ländern wie China, Pakistan und Indonesien nicht selbstverständlich." - Die Einhaltung dieser Standards wird kontrolliert, wer sie nicht erfüllt, verliert seine Aufträge.

2.8 Indices für die öffentliche Verwaltung?

Vergleichbare Indices für die öffentliche Verwaltung sind derzeit nicht bekannt, trotz der völkerrechtlichen Verpflichtung Deutschlands (und anderer europäischer Staaten) auf Nachhaltigkeit. Allerdings sind Bewertungen der Nachhaltigkeit Teil von Umfassendem Qualitätsmanagement (TQM), z. B. nach dem EFQM-Modell oder dem Common Assessment Framework CAF, gelten also für alle öffentlichen Institutionen, die diese Konzepte umsetzen. Und einige Behörden haben sich an einem Pilotprojekt des Bundesumweltministeriums beteiligt und ein zertifiziertes Umweltmanagementsystem (EMAS) eingerichtet[3].

Zum Vorgehen des Dow Jones Sustainability Index vgl. die folgende Tabelle:

Kriterien und Gewichtung des Dow-Jones-Nachhaltigkeits-Index
(übernommen aus dem Dow Jones Sustainability World Index Guide Book Version 11.1, September 2009,
http://www.sustainability-indexes.com/htmle/assessment/criteria.html, am 12.01.2010)

CRITERIA AND WEIGHTINGS

Corporate Sustainability Assessment Criteria

Dimension

Criteria

Weighting (%)

Economic

Corporate Governance

6.0

 

Risk & Crisis Management

6.0

 

Codes of Conduct / Compliance / Corruption&Bribery

5.5

 

 

Industry Specific Criteria

Depends on
Industry

 

 

 

Environment  

Environmental Performance (Eco-Efficiency)

7.0

 

Environmental Reporting*

3.0

 

Industry Specific Criteria

Depends on
Industry

 

 

 

Social

Human Capital Development

5.5

 

Talent Attraction & Retention

5.5

 

Labor Practice Indicators

5.0

 

Corporate Citizenship/ Philanthropy

3.5

 

Social Reporting*

3.0

 

Industry Specific Criteria

Depends on
Industry

     
* Criteria assessed based on publicly available information only
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3 Quellen

Empfehlenswerter Überblicksartikel

Fischer, Simone / Lenz, Peter: Nachhaltigkeit wird nur selten überprüft. F.A.Z., 11.01.2010, Nr. 8 / Seite 10

Zum Stand in der Privatwirtschaft in Deutschland

KPMG: KPMG-Handbuch zur Nachhaltigkeitsberichterstattung 2008/09 – Deutschlands 100 umsatzstärkste Unternehmen im internationalen Vergleich. 2009. Online-Quelle

Literatur zur öffentlichen Verwaltung

Pippke, Wolfgang: Aspekte der Nachhaltigkeit in der Ausbildung des allgemeinen gehobenen Verwaltungsdienstes. Gelsenkirchen 2003

Klümper, Bernd / Pippke, Wolfgang u. a.: Ökonomische Anreize für den Umweltschutz im Bereich der öffentlichen Hand, Forschungsbericht für das Umweltbundesamt. Berlin 2004

Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie: Gutachten "Öffentliches Beschaffungswesen". 2007. Online-Quelle (auf der Website des Beschaffungsamtes des Bundesministeriums des Innern)

 


Anmerkungen

Zurück zum Text Rüdiger Köhn, Nachhaltigkeit trifft den Zeitgeist, in: F.A.Z., 24.09.2005, Nr. 223 / Seite 20
Zurück zum Text Köhn, ebd.
Zurück zum Text Informationen zum Pilotprojekt unter http://www.umweltbundesamt.de/EMAS/forum/pilot.htm.

Siehe auch:

  • Handbuch Umweltcontrolling für die öffentliche Hand, 2001
  • Umweltbundesamt: Umweltschutz lohnt sich für öffentliche Verwaltungen
    Strategien und Beispiele für ökonomische Anreize. Download-Langfassung [3,78MB]
Zurück zum Text Zur Verbreitung ihrer Standards:
"Von den N 100 International erklären 69 Prozent der berichtenden Unternehmen, den GRI G3 anzuwenden. Die deutschen Unternehmen sind hier allerdings noch nicht so weit: Von den N 100 Deutschland haben insgesamt 37 den GRI-Leitfaden als Standard für die Berichterstattung angegeben." (Fischer / Lenz 2010).

Zu den Standards der GRI für die öffentliche Verwaltung siehe oben.

Zurück zum Text übernommen aus dem G3 quick reference sheet am 12.01.2010