E-Government (elektronisches Regieren und Verwalten)

(Beitrag im Online-Verwaltungslexikon olev.de, Version 1.45)

1 Definition

"Elektronisches" Regieren und Verwalten, d. h. Regieren und Verwaltung unter Nutzung des Internets, um Informationen bereit zu stellen, Kommunikation und Geschäftsvorfälle abzuwickeln, in einer weiteren Entwicklungsstufe: die Bürger in die Erledigung öffentlicher Angelegenheiten und in politische und Verwaltungsprozesse einzubeziehen (E-Democracy).

2 Weiteres

2.1 Bedeutung, Verhältnis zur EU-DLR

E-Government hat durch die Dienstleistungsrichtlinie der Europäischen Union (EU-DLR) einen neuen Stellenwert erhalten: die Richtlinie verpflichtet die öffentliche Verwaltung zu einem "Einheitlichen Ansprechpartner", über den alle Verfahren und Formalitäten sowie Informationsanfragen abgewickelt werden können. Das ist nur unter Nutzung des Internets realisierbar, also über "E-Government". Darüber hinaus verpflichtet die EU-Dienstleistungsrichtlinie die Verwaltung, bis Ende 2009 sicherzustellen, dass Dienstleister alle Verfahren und Formalitäten, die die Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit betreffen, problemlos aus der Ferne und elektronisch abwickeln können (Art. 8 EU-DLR). Seitenanfang

2.2 E-Government Funktionen und Kunden

E-Government umfasst insbesondere die Funktionen Information, Kommunikation und Transaktion, so eine klassische Dreiteilung, die gleichzeitig die zunehmende Intensität der Nutzung wiedergibt. Die EU-Kommission misst mit dem Ausmaß, in dem diese Funktionen verwirklicht sind, den Reifegrad von E-Government der Mitglieder, ergänzt um eine vierte Stufe, "Targetisation", deutsch etwa "Vollintegration", weil damit die vollständige Online-Verfügbarkeit und automatisierte Abwicklung verstanden wird, darüber hinaus aber zusätzlich der pro-aktive Charakter der Anwendungen[3].

Das ergibt folgende Klassifikation:

E-Government-Funktionen / Reifegrade von E-Government nach EU-Klassifikation[3]
  Funktion Reifegrad nach EU-Klassifikation Beschreibung der Funktion
Information Einweg-Interaktion Informationen bereit stellen (einseitige Interaktion)
Kommunikation Zweiweg-Interaktion kommunizieren (Informationen austauschen: zwei- oder mehrseitige Interaktion)
Transaktion Transaktion Verwaltungsvorgänge abwickeln
Vollintegration (engl.) "Targetisation" vollständige Online-Verfügbarkeit, proaktive und automatisierte Abwicklung

 

E-Gvt-EU-Reifegrade

Reifegrad-Modell von E-Government der EU-Kommission[3]

Nicht genutzte Entwicklungen und Potenziale

Bei dieser Klassifikation sind die Möglichkeiten von "Web 2.0" noch nicht berücksichtigt: d. h. die Möglichkeiten der Gestaltung von Web-Angeboten durch die Nutzer oder unter ihrer Beteilung. Welche Möglichkeiten dabei bestehen, ist im Beitrag Community of Practice aufgelistet (Forum, Wiki, Blog,Veranstaltungskalender usw.), zusätzlich sind die Potenziale von sozialen Netzwerken (YouTube, Facebook usw.) zu nennen.

Nicht berücksichtigt ist damit auch die absehbare Weiterentwicklung der Möglichkeiten und der Erwartungen der Bürger/Nutzer hin zu "M-Government": dem "mobilen" Government, das seine Leistungen auch über mobile Geräte bereit stellt (Ansätze im UK: Directgov on your mobile) Auch "E-Democracy", die Nutzung der elektronischen Kommunikationsmöglichkeiten für die Beteiligung der Bürgerschaft an Regierung und Verwaltung, passt in dieses Schema nicht hinein. Seitenanfang

Kunden/Adressaten

Als Kunden/Adressaten kommen in Betracht

E-Government-Kunden/-Adressaten
 

Kundengruppe

Abk.[1] Erläuterung
Bürger G2C Government to Citizens
private Unternehmungen G2B Government to Business
andere öffentliche Stellen G2G Government to Government
sowie
die Beschäftigten G2E Government to Employees

Anmerkung: Üblicherweise werden nur die ersten drei Kundengruppen genannt, obwohl die Beschäftigten häufige Nutzer sind und die Bereitstellung von Dienstleistungen für sie besonders effektiv und wirtschaftlich ist. Empfehlenswert ist es deshalb, sie ausdrücklich als Adressatengruppe zu nennen und das Angebot entsprechend zu strukturieren, wie es die z. B. die US-Bundesregierung tut (siehe http://www.firstgov.gov). B. K.

Die "Richtung" dieser Interaktion mit der Verwaltung als dem Partner, der die Interaktion einleitet, ist ungenau: es geht gerade auch darum, dem Bürger und der Wirtschaft die Möglichkeit der Einleitung von Interaktionen zu geben, wie es Geist und Inhalt der EU-DLR entspricht. Dann wären die Bezeichnungen zu vertauschen:

E-Government-Interaktionsbeziehung aus Sicht der Kunden/-Adressaten
 

Kundengruppe

Abk. Erläuterung
Bürger C2G Citizens to Government
private Unternehmungen B2G Business to Government
andere öffentliche Stellen G2G Government to Government
sowie
die Beschäftigten E2G Employees to Government


Die Nutzung des Internets für die politische Willensbildung (einschließlich von Wahlen über das Internet) wird als E-Democracy bezeichnet, siehe unten.

2.3 Praxistipp: eCH - E-Government-Standards in der Schweiz

In der Schweiz wird E-Government von dem Verein eCH - E-Government-Standards unterstützt, der zahlreiche Standardprozesse entwickelt hat und Werkzeuge für eine einfache und übertragbare Standardisierung und Optimierung bereit stellt. Damit stehen umfangreiche Beispiele und Lösungen für E-Government zur Verfügung. Ein Anwendungsbeispiel dokumentiert der Beitrag von Lienhard (Beitrag im Online-Archiv) Seitenanfang

2.4 Lebenslagen als Gestaltungsprinzip

Aus Bürgersicht kann es sinnvoll sein, das Angebot der Verwaltung an Lebenslagen zu orientieren und One-Stop-Government anzustreben. Das hat erhebliche interne Auswirkungen auf Zuständigkeiten und Prozesse.

2.5 Entwicklung in Deutschland

Im Deutschland erfolgte die Einführung von E-Government auf Bundesebene im Rahmen des Programms BundOnline 2005 (siehe http://www.bundonline2005.de), jetzt als Daueraufgabe fortgeführt unter der Bezeichnung BundOnline. Die gemeinsame E-Government-Initiative von Bund, Ländern und Kommunen ist das Programm Deutschland-Online.

Grundarchitektur öffentlicher Leistungserbringung

Schuppan/Reichard:
Grundarchitektur öffentlicher Leistungserbringung[2]

In die Betrachtung einzubeziehen ist die Änderung durch IT, auch ohne das Internet, z. B. die Zusammenfassung aller Dienstleistungen in einem Bürgerbüro, das die Informationen durch Zugriff auf einen - nicht öffentlichen - Datenverbund erhält.

Gesamtstruktur
Die Gesamtstruktur, die möglich wird, wenn die Dienstleistungen gegenüber dem Bürger einheitlich erbracht werden, ist in der Abbildung dargestellt. Der Bürger hat drei Zugangsmöglichkeiten: persönlich, per Telefon, per Internet. Über alle drei Zugangswege kann er die Dienstleistungen aller öffentlicher Einrichtungen in Anspruch nehmen. Dies ist die Leistung "vor Ort" oder im sog. Front Office. Die Abwicklung erfolgt in den Back Offices, für den Bürger nicht sichtbar, wobei er sich über Zuständigkeitsfragen keine Gedanken zu machen braucht.

Mit dieser Konzeption, konsequent realisiert, würde die öffentliche Verwaltung zu einer "virtuellen Einheit" und wäre das Konzept der virtuellen Organisation verwirklicht. Druck auf die Entwicklung der Verwaltung in dieser Richtung entfaltet die EU-DLR, siehe oben. Seitenanfang

Noch weitergehend ist die Einbeziehung auch privater Dienstleistungen, z. B. der Verkehrsträger, aber auch der örtlichen Wirtschaft, wie es z. B. der Bremer Online-Service verwirklicht.

Bei diesen Gestaltungen sind Informationssicherheit und Datenschutz von großer Bedeutung

Auswirkungen auf die Geschäftsprozesse
Neben der Änderung der Außenbeziehungen hat E-Government auch weitreichende Wirkungen für die internen Geschäftsprozesse. Insbesondere sollte die Einführung von E-Government mit einer Überprüfung und Optimierung der Geschäftsprozesse verbunden werden und könnte in diesem Zusammenhang auch Anlass für den Einstieg in Qualitätsmanagement sein, um Kundenorientierung und Prozessbeherrschung sicherzustellen. Siehe dazu auch oben den Praxistipp. Seitenanfang

Nutzung von E-Government im internationalen Vergleich: Deutschland rangiert hier auf einem der hinteren Plätze. Siehe dazu den Überblicksbeitrag des Deutschlandradios vom 1.10.2011 mit weiteren Quellenangaben: Originalquelle / Beitrag im Online-Archiv, sowie ausführlich die regelmäßigen Benchmarking-Berichte der EU-Kommission. Sie beurteilen der Reifegrad des E-Government der Mitgliedsstaaten. Insgesamt hat Deutschland danach einen hohen Reifegrad erreicht[4], aber mit deutlichem Verbesserungspotenzial bei einer Reihe wichtiger Einzelwertungen[5].

2.6 E-Democracy

Mit "E-Democracy" werden Konzepte und Lösungen bezeichnet, mit denen die Nutzung der elektronischen Kommunikationsmöglichkeiten für die Beteiligung der Bürgerschaft an Regierung und Verwaltung angestrebt wird. Das umfasst die Beteiligung an der Diskussion von Programm- und Gesetzesvorschlägen bis hin zur Abstimmung in Wahlen über das Internet.

 


Anmerkungen

Zurück zum Text gängige Kurzformeln, entsprechend dem Sprachgebrauch in der Wirtschaft
Zurück zum Text Schuppan, Tino / Reichard, Christoph: Neue Verwaltungsmodelle braucht das (Flächen–) Land: Verwaltungsmodernisierung mit E-Government. In: Technikfolgenabschätzung Nr. 3/4, 11. Jahrgang - November 2002, S. 46.
Online-Quellen am 21.03.2004: http://www.itas.fzk.de/tatup/023/scre02a.htm und http://www.kommforum.de/upload/files/beitraege_aufsaetze/156/Schuppan_
Reichard_Verwaltungsmodelle.pdf
Zurück zum Text EU-Commission (Hrsg.): Method Paper 2010: Preparing the 9th Benchmark Measurement - SMART 2009/0023-3, S. 15
Zurück zum Text EU-Commission (Hrsg.): Digitizing Public Services in Europe. Putting ambition into action - 9th Benchmark Measurement - December 2010, S. 7
Zurück zum Text siehe die Übersicht a. a. O., S. 21