(Beitrag im Online-Verwaltungslexikon olev.de, Version 1.25)
1 Definition
Balanced Scorecard (BSC - "Ausgewogener Berichtsbogen") ist ein Managementkonzept zur Umsetzung einer Unternehmenskonzeption (Vision und Strategie) in ein konsistentes System von strategischen Zielen und die Konkretisierung dieser strategischen Ziele durch operative Ziele und Maßnahmen. Ziele und Kennzahlen bilden die für den langfristigen Erfolg wichtigen Dimensionen ab, das sind für gewinnorientierte Unternehmen: Finanz-, Kunden-, Prozess-, Lern- und Innovationsperspektive, also sowohl Ergebnisse (Spätindikatoren, insbesondere Finanzziele) als auch kritische Erfolgsfaktoren für die Zukunft (Frühindikatoren, insbesondere Lern- und Entwicklungsperspektive). Dabei stehen die Finanzziele an der Spitze der Zielpyramide, weil sie die Interessen der Anteilseigner repräsentieren. Die Ziele der anderen Dimensionen tragen zur Erreichung der Finanzziele bei, sind Mittel zum Zweck. Zwischen den Zielen der 4 Dimensionen bestehen Ursache-Wirkungszusammenhänge, die in einer "Strategy Map" (strategischen Landkarte) abgebildet werden.
Die Balanced Scorecard
- strukturiert und präzisiert also Vision und Strategie
- und übersetzt sie in operative Vorgabewerte und Maßnahmen,
stellt damit die Verbindung zwischen den verschiedenen Management-Ebenen her und integriert die operative Steuerung in die strategische Perspektive.
Für die öffentliche Verwaltung ist das Konzept ebenfalls verwendbar, allerdings stehen bei einer BSC einer öffentlichen Verwaltung nicht die Finanz-, sondern die Leistungs- oder Wirkungsziele an der Spitze der Zielpyramide und bilden damit die erste Dimension (siehe Kaplan/Norton und Horvath[FN1]), ggf. als fünfte
Dimension. Mehr dazu unten.
2 Weitere Informationen
2.1 Regeln für BSCs in der öffentlichen Verwaltung
Aus den Erfahrungen in der öffentlichen Verwaltung lassen sich einige Regeln ableiten, um typische Fehler zu vermeiden:
|
2.2 Zum Konzept für private Unternehmungen
- Unterschied zur öffentlichen Verwaltung
Die Erweiterung gegenüber herkömmlichen - privatwirtschaftlichen - Managementkonzepten besteht in der Aufnahme von nicht-finanziellen, "weichen" und zukunftsgerichteten Faktoren ("Leistungstreibern"), um sicherzustellen, dass nicht nur die Erfolge der Vergangenheit abgebildet, sondern auch die Zukunftspotenziale berücksichtigt werden. Diese zusätzlichen Ziele und Kennzahlen dienen aber weiterhin dem übergeordneten Erfolgsziel der (nachhaltigen) Gewinnerzielung, die "Finanzziele" stehen an der Spitze der Zielpyramide.
Denn die Finanzziele sind Antworten auf die Frage:
"Wie sollen wir gegenüber Teilhabern auftreten, um finanziellen Erfolg zu haben?" (Kaplan/Norton 1997, S. 9 Abb. 1.1).
Die Finanzperspektive repräsentiert also die Interessen der Anteilseigner (Eigentümer) - als diejenige Anspruchsgruppe, von der die Existenz eines Unternehmens abhängt.
Übernommen von http://de.wikipedia.org/wiki/Balanced_Scorecard am 25.04.2010
Bei der Verwendung in der öffentlichen Verwaltung braucht man also nur die Frage zu stellen, welche Anspruchsgruppe hier entscheidend, was hier existenziell ist: das ist der öffentliche Auftrag.

2.3 Anwendung der BSC in der öffentlichen Verwaltung
Das Konzept wird auch in einigen Teilen der öffentlichen Verwaltung verwendet, für andere sind entsprechende Systeme in der Entwicklung oder werden diskutiert. Das Konzept ist z. B. als Grundlage der Steuerung der gesamten hessischen Landesverwaltung. Grundlage ist dabei zunächst die Definition von Produkten - entsprechend dem Konzept einer Neuen Verwaltungssteuerung die Bündelung der wesentlichen Leistungen, die eine Verwaltung erbringt. Für die Produkte werden "Produktscorecards" entwickelt mit jeweils den folgenden fünf Dimensionen:
1. Leistungswirkung
2. Finanzwirtschaft
3. qualitative und quantitative Leistungsmerkmale
4. Prozessqualität
5. Kundenzufriedenheit
Leistungswirkung (im Sinne von Outcome) steht dabei an oberster Stelle, siehe die Darstellung des Hessischen Finanzministeriums, das Konzept entspricht also der Grundorientierung einer Neuen Verwaltungsführung.
Für die öffentliche Verwaltung gehört |
Da, wo bereits alternative Ziel- und Kennzahlensysteme existieren (Schweiz, Österreich mit dem Konzept der Wirkungsorientierten Verwaltungsführung WoV), sind wesentliche Anliegen bereits erfüllt, und kann die Weiterentwicklung auch über Qualitätsmanagement erfolgen, insbesondere mit den TQM-Konzepten (das EFQM-Modell und seine verwaltungsspezifischen Variante CAF). Diese Konzepte sind im Vergleich mit der BSC
- umfassendere Konzepte für nachhaltigen Erfolg
- und erlauben eine schrittweise Entwicklung der Organisation, sind also als Verfahren der kontinuierlichen Weiterentwicklung geeignet (so z. B. das Vorgehen des (deutschen) Statistischen Bundesamtes und ausdrücklich die Empfehlungen für die Verwendung von EFQM-Modell und CAF).
Allerdings liefert das BSC-Konzept konkrete Instrumente, die in Kombination mit CAF oder dem EFQM-Modell verwendbar sein können (vgl. die Fallbeispiele in: Bundeskanzleramt (Österreich) (Hrsg.), CAF wirkt – mehr Service und Leistungsqualität für alle. Online-Quelle am 19.10.2006)
Auch das hier vorgeschlagene Konzept der Zielfelder, Ziele und Kennzahlen ist mit dem BSC-Konzept vereinbar und ist ein Vorschlag dafür, welche Dimensionen und Ziele für die öffentliche Verwaltung verwendet werden könnten. Es ermöglicht eine "ausgewogene Berichterstattung", die sowohl monetäre wie nicht-monetäre Kennzahlen umfasst und die Verknüpfung zwischen operativer und strategischer Steuerung herstellt. Es verwertet die Erfahrungen der Konzepte aus der Schweiz und aus Österreich mit der Wirkungsorientierten Verwaltungsführung. Andererseits berücksichtigt es zusätzliche Anforderungen, die für eine erfolgreiche Anwendung in der Praxis und die Konkordanz mit anderen Managementinstrumenten wichtig sind.
Es vermeidet auch ein Problem, dass die Konzeption der BSC aufweist: sie verlangt die Definition von Maßnahmen, während die Programmsteuerung nach dem Konzept einer Neuen Verwaltungssteuerung darauf gerade verzichtet und auf Globalsteuerung setzt (siehe den Beitrag Zielvereinbarung/Kontraktmanagement).
Vorteile des hier vertretenen Konzepts
- Es stellt die Existenzberechtigung der öffentlichen Verwaltung in den Vordergrund: die Verantwortung für die Auftragserfüllung. Sie gehört nicht an eine beliebige Stelle, sondern an die erste, und die Bezeichnung "Auftragserfüllung" verdeutlicht die Zweckbindung aller öffentlichen Tätigkeit als Grundlage für die Verwendung der Gelder der Allgemeinheit und Inanspruchnahme besonderer Rechte, das Handeln in den Formen des öffentlichen Rechts.
- Es bezieht aber auch die gesellschaftliche Verantwortung ein, die zu berücksichtigen z. T. verfassungs- und europarechtlich vorgegeben ist: Umwelt, Gleichstellung/Diversität (siehe das 5. Zielfeld mit Beispielen), oder die politisch gewollt wird, wie z. B. verstärkte Ausbildung in Zeiten knappen Lehrstellen (oder aktuell: die Bereitstellung von Studienplätzen).
2.4 Probleme bei der Anwendung der BSC in der aktuellen Praxis
Unter der Überschrift "BSC" verbergen sich in der Praxis z. T. Konzepte, die alt bekannte Kennzahlen in eine wohlklingende neue, aber logisch und sachlich schwer verständliche Begrifflichkeit einordnen und dem Anspruch einer neuen Qualität der (Output- oder gar Outcome-) Steuerung nicht gerecht werden.
Wer z. B. die Qualität durch die Beschwerdequote erfassen will weiß vielleicht nicht, dass sich nur ein kleiner Teil von Unzufriedenen beschwert (Erfahrungswerte in der Wirtschaft: 4 % bis 15 %), damit taugt dies nur bedingt zur Beurteilung der Qualität - weitere Analysen sind erforderlich. Und die Zahl von Fortbildungstagen als Kenngröße für "Innovation und Lernen" übersieht vielleicht, dass dies eine Input-Größe ist, die wenig aussagt über die Zunahme an Qualifikation der Beschäftigten (differenziertere Ergebnisse könnte Bildungscontrolling liefern), weil Fortbildung nicht immer zielorientiert und effizient erfolgt ("jeder angebotene Fortbildungsplatz wird auch besetzt - sonst bekommt man keine Angebote mehr"), der Krankenstand nichts über die Motivation oder gar "Commitment", usw. Ohne Kunden- und Mitarbeiterbefragung und die Ergänzung durch Expertenbefragungen sowie Transparenz der Ergebnisse lassen sich Ziele und Kennzahlen für die Dimensionen einer BSC nicht sinnvoll formulieren und kontrollieren.
Vor allem aber gehören für die öffentliche Verwaltung die Outcome-Ziele an die erste Stelle, denn sie liefern erst die Existenzberechtigung (vgl. [FN1]).
2.5 Praxisbeispiele
Hessen:
Eine konsequente Verwendung des Konzepts, entsprechend den hier referierten
Anforderungen (Outcome/Wirkungen als oberste Dimension) hat das Land Hessen
begonnen, siehe den besonderen Beitrag.
In anderen Fällen wurde nicht erkannt, dass die Konzeption an die Besonderheiten der öffentlichen Verwaltung angepasst werden muss, und wird deshalb die Finanzperspektive, wie in einer BSC für ein privates Unternehmen, als oberste Dimension verwendet (so z. B. vom Landkreis Soest, der in anderen Hinsicht, z. B. als Anwender von Qualitätsmanagement nach ISO 9001 und Strategischem Management als Teilnehmer am KOMPASS-Projekt der Bertelsmann-Stiftung eine Vorreiterrolle übernommen hatte). Das ist deshalb besonders problematisch, weil hier strategisch falsch gesteuert wird. Wird die Tätigkeit öffentlicher Bibliotheken mit einer BSC gesteuert, die als oberstes Ziel "Stückkosten" nennt, so wird der Auftrag grundlegend verkannt, aber z. B. auch die Chance, die öffentlichen Bibliotheken als ein Instrument in die Förderung der Qualifikation von jungen Menschen (mit Folgen für PISA) und des lebenslangen Lernens einzusetzen. Outcome-Ziel einer öffentlichen Bibliothek könnte "Lust am Lesen vermitteln", "Lesekompetenz im Einzugsbereich" oder ähnlich formuliert sein und z. B. in Kooperation mit Schulen, Volkshochschulen und sozialen Einrichtungen verfolgt werden (siehe auch die Beiträge aktivierender Staat / Good Governance).
Im folgenden werden einige weitere Beispiele ohne Anspruch auf Repräsentativität genannt und diskutiert.
Die rot-grüne Bundesregierung hatte in ihrer Strategie für die 2. Phase des Regierungsprogramms "Moderner Staat - Moderne Verwaltung" das BSC-Konzept für die öffentliche Verwaltung wie folgt interpretiert:
"Die Zielsetzungen von Verwaltungsdienstleistungen und komplexe verwaltungsinterne Prozesse lassen sich in vier Bewertungsfelder „Ressourcen“, „Kompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, „Fachaufgabe“ und „Adressatenbezug“ gliedern".
Dabei enthält das Bewertungsfeld "Fachaufgabe" die Elemente "Wirkungen", "Mengen" und "Qualitäten". Mit diesem Vorschlag ist die Bundesregierung sehr nahe an dem hier vertretenen Konzept, allerdings mit wichtigen Abweichungen (Einzelheiten siehe FN3). Die Konzeption ist aber bisher (Stand: Dezember 2008) nicht umgesetzt worden.
Das Bundesfinanzministerium schlägt in seiner Darstellung der Controlling-Instrumente die Zielfelder Leistungsauftrag, Wirtschaftlichkeit, Bürgerinteressen und Mitarbeiterpotenziale vor. Damit ist es ebenfalls sehr nahe an der hier vertretenen Konzeption bzw. auf dem Stand der Konzeption, wie sie KGSt und Bertelsmann-Stiftung vertreten (s. o. Herleitung). Allerdings fehlt die Wirkungsorientierung, die Berücksichtigung des "Wozu" der Leistungen (Outcome) - falls es nicht mit der Bezeichnung "Leistungsauftrag" mit gemeint ist.
Nicht berücksichtigt: Prozessperspektive und Lernen und Innovation
Mit der hier vorgeschlagenen Konzeption, orientiert an den Zielen und Kennzahlen einer modernen wirkungsorientierten Verwaltung, bleibt ein Anliegen der ursprünglichen Konzeption der BSC nicht berücksichtigt: die Aufnahme der Prozessperspektive, und es sollte auch geprüft werden, wie die BSC-Perspektive "Lernen und Innovation" im Detail in der Zielstruktur berücksichtigt werden kann. Beides sind im übrigen Anliegen, die die TQM-Konzepte bereits berücksichtigen (siehe das EFQM-Modell bzw. die verwaltungsspezifische Variante CAF).
3 Quellen
Ausgangspunkt: das Original | ||
Kaplan, Robert S. / Norton, David P. | 1997 | Balanced Scorecard: Strategien erfolgreich umsetzen. Stuttgart
1997 (aus dem Amerikanischen übersetzt von Péter Horváth) (siehe zur öffentlichen Verwaltung Abschnitt 8.5, S. 173 ff.) |
Kaplan, Robert S. / Norton, David P. | 2004 | Strategy Maps. Der Weg von immateriellen Werten zum materiellen Erfolg. Stuttgart 2004 (aus dem Amerikanischen übersetzt von Péter Horváth und Bernd Gaiser) |
Kaplan, Robert S. / Norton, David P. / Horváth, Peter u. a. | 2004 | Balanced Scorecard - Unternehmen erfolgreich steuern. Die Scorecard verstehen - Die Scorecard optimieren. Hamburg 2004 |
Horváth & Partners (Hrsg.) | 2004 | Balanced Scorecard umsetzen. 3. Aufl., Stuttgart 2004 |
Allgemein zur BSC | ||
Friedag, Herwig R./Schmidt, Walter | 2000 | My Balanced Scorecard. Das Praxishandbuch für Ihre individuelle Lösung: Fallstudien, Checklisten, Präsentationsvorlagen. Freiburg 2000 |
Jossé, Germann | 2005 | Balanced Scorecard – Ziele und Strategien messbar umsetzen, München 2005 |
Krey, Armin | 2003 | “Wunderwaffe” BSC im Spiegel der Branchen, in: CM controller magazine, H.4, S. 325-333. |
Weber, Jürgen / Schäffer, Utz | 2000 | Balanced Scorecard & Controlling. Implementierung, Nutzen für. Manager und Controller, Erfahrungen in deutschen Unternehmen. 3. Aufl., Wiesbaden 2000 |
BSC in der öffentlichen Verwaltung | ||
Moore, Mark H. | 2003 | The Public Value Scorecard: A Rejoinder and an Alternative to "Strategic Performance Measurement and Management in Non-Profit Organizations" by Robert Kaplan. Working Paper #18 des Hauser Center for Nonprofit Organizations. The Kennedy School of Government, Harvard University, May 2003. Online-Quelle (2006-02-14) |
Haldemann, Theo / Heike, Michael / Bachmann, Martin | 2011 | Balanced Scorecard in öffentlichen Verwaltungen und Betrieben: Erfahrungen und Empfehlungen für das Strategische Public Management. Mit einem Vorwort von Prof. Robert S. Kaplan. Bern 2011 |
Scherer, Andreas Georg / Alt, Jens Michael (Hrsg.) | 2002 | Balanced Scorecard in Verwaltung und Non-Profit-Organisationen. Stuttgart 2002 |
Scherer, Andreas Georg / Alt, Jens Michael | 2002 | Strategische Steuerung und Balanced Scorecard. Info 1694, Juli 2002, der BBB, Online-Quelle (2006-05-04) |
Weig, Florian | 2004 | Balanced Scorecard für Strategisches Management von Städten. 2004 |
Siehe auch Kapitel 8 in Horváth & Partners 2004 | ||
Spezielle Bereiche | ||
Ackermann, Karl-Friedrich [Hrsg.] | 2000 | Balanced Scorecard für Personalmanagement und Personalführung : Praxisansätze und Diskussion. Wiesbaden 2000 |
Anmerkungen
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Kaplan/Norton 1997, 173 ff.; Horváth 2004, 427 ff. Siehe dazu auch Moore, The Public Value Scorecard, S. 6. Entsprechendes gilt für Non-Profit-Organisationen (gemeinnützige Organisationen). |
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Allerdings mit dem Nachteil,
Unklar ist auch die fachliche Grundlage: ist dies die Meinung der aktuell mit dieser Frage befassten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im BMI, oder der fachlich umfassend abgesicherte Stand einer Konzeption, von der man erwarten kann, dass sie auch noch in 5 Jahren gültig ist? Immerhin interpretiert das Bundesfinanzministerium die BSC-Konzeption anders, siehe oben im folgenden Absatz. Gibt es in dieser Frage keine konzeptionelle Abstimmung innerhalb der Bundesregierung? |
Köln, 2013-04-27