Sachbearbeiter/in
(Beitrag im Online-Verwaltungslexikon olev.de, Version 1.51)
Inhalt | |
Definition | |
Regelungsquellen | |
Einzelfallbearbeitung | |
Managementverantwortung | |
Organisatorische Einordnung | |
Bedeutung | |
Funktionsbeschreibung | |
Sachbearbeitung ist nicht ... | |
Bearbeiter/in |
1 Definition
Mitarbeiter/in des gehobenen Dienstes (bzw. in vergleichbarer Position als Angestellte/r), dem/der ein Sachgebiet zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung
- als Ausführungsaufgabe übertragen worden ist
- oder als Aufgabe, die er/sie mit Unterstützung zugeordneter oder unterstellter anderer Beschäftigter wahrnimmt.
Die Funktion umfasst
- die verantwortliche Bearbeitung
aller Einzelfälle
(im Regelfall mit Zeichnungsrecht und Ergebnisverantwortung für die Erreichung der Wirkungs-, Leistungs- und Finanzziele) sowie - die Managementverantwortung für das Sachgebiet,
soweit nicht wegen der besonderen Bedeutung die Mitwirkung oder Entscheidung einer Instanz (z. B. der Referatsleitung) erforderlich ist.
2 Weitere Informationen
2.1 Regelungsquellen
Vgl. beispielhaft die Regelungen der Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO):
Auszug aus der GGO der Bundesministerien
§ 4 Grundsätze für die Organisation der Bundesministerien
(2) Organisatorische Regelungen sollen die selbstständige, eigenverantwortliche sowie kosten- und qualitätsbewusste Wahrnehmung der Aufgaben unterstützen und gleichzeitig dazu beitragen, die Motivation und Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu verbessern.
(5) Aufgabe, Kompetenz und Verantwortung sollen auf der jeweiligen Bearbeitungsebene zusammengeführt werden.
§ 11 Führung, Eigenverantwortung und Zusammenarbeit
(1) Vorgesetzte beteiligen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rahmen ihres jeweiligen
Verantwortungsbereichs an den Entscheidungen, die in der Organisationseinheit anfallen. [...]
(2) Vorgesetzte tragen die Verantwortung für eine sachgerechte Aufgabenverteilung, den
Ausgleich von Überbelastung oder Unterauslastung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und
für die Arbeitsabläufe in ihrer Organisationseinheit.
(4) Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter ist für die sach- und zeitgerechte sowie wirtschaftliche Bearbeitung der übertragenen Aufgaben selbst verantwortlich und soll in den Angelegenheiten des zugewiesenen Aufgabengebietes initiativ und eigenständig arbeiten.
§ 17 Zeichnungsbefugnis
(1) Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zeichnen die von ihnen verfassten Schriftstücke grundsätzlich selbst. Vorgesetzte zeichnen, soweit dies in Rechts- und Verwaltungs-vorschriften vorgeschrieben ist, es sich aus der Bedeutung der Sache ergibt oder soweit sie sich die Zeichnung in besonderen Fällen vorbehalten haben.
Die GGO des Bundes geht nach diesen Regelungen für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, gleich welcher Qualifikationsstufe von einer aktiven Mitwirkung im jeweiligen Aufgabenbereich und von der eigenverantwortlichen Wahrnehmung der übertragenen Aufgaben mit Zeichnungsrecht als Regelfall aus. Das gilt in jedem Fall für die Funktionsebene der Sachbearbeitung. Was das konkret bedeutet, wird im Folgenden detaillierter dargestellt. Nicht berücksichtigt wird dabei die evtl. mit der Funktion verbundene Weisungsbefugnis und ggf. Führungs-(teil)-funktion gegenüber anderen Beschäftigten, die in der Praxis aber häufig ist.
2.2 Funktionen im Einzelnen
a) Verantwortliche Bearbeitung
aller Einzelfälle
Mit der Bearbeitung aller Einzelfälle setzen die Sachbearbeiterinnen und
Sachbearbeiter die Wirkungs-, Leistungs- und Finanzziele durch operative Tätigkeit um. Je nach Art des Auftrags und des Produkts/der Leistung umfasst dies –
bei immer knapper Arbeitszeit und knappen Finanzmitteln – die folgenden Tätigkeiten:
Tätigkeiten bei der Einzelfallbearbeitung | Bezug
zu Management- verantwortung |
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1. | Entscheidung über ein Tätigwerden (soweit nicht rechtlich vorgegeben) | |||||||||||||||||
2. | Ermittlung des Sachverhalts | |||||||||||||||||
3. | Kommunikation mit Kunden/Bürgern/Betroffenen | |||||||||||||||||
4. | Aufbereitung des Sachverhalts nach vorgegebenen oder selbst entwickelten Verfahrensschritten (ggf. unter Verwendung spezieller Arbeitsmittel) | 4. b) Prozessorganisation (Ablauforganisation) | ||||||||||||||||
5. |
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4. a) Bearbeitungsgrundsätze, Grundsatzakten | ||||||||||||||||
6. | ggf. interne Abstimmungen, Verhandlungen | 4. c) Koordination mit anderen Sachgebieten | ||||||||||||||||
7. | Entscheidungsvorschlag/Entscheidung | |||||||||||||||||
8. |
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3. d) und e): Informationen, Berichte | ||||||||||||||||
9. | ggf. Reaktion auf Reklamationen, Beschwerden oder Rechtsbehelfe. | ggf. Qualitätsmanagement/ Beschwerdemanagement | ||||||||||||||||
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Dabei variieren je nach Art der Aufgabe (des Auftrags, des Produkts/der Leistung) und der Situation im konkreten Fall Gestaltungsspielraum und die sachlichen, methodischen und sozialen Anforderungen an die Sachbearbeitung. Nur in bestimmten Aufgabenbereichen sind Ziele und Mittel rechtlich bindend vorgegeben (Beispiele siehe [1]). Verwaltung ist typischerweise nicht (bloße) Rechtsanwendung, sondern Vollzug politischer Programme mit z. T. rechtlichen Mitteln. Die ausschließliche Rechtsanwendung (und damit Begrenzung auf Rechtsfragen) ist Aufgabe der Gerichte.
Bei Dienstleistungen für Dritte (Bürger, Geschäftsleute, Firmen) wird die Tätigkeit geprägt durch Qualitäts-, Zeit-, Bürger- und Finanzziele und darüber hinaus durch die Wirkungen, die diese Dienstleistungen haben sollen (Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen, kommunale Lebensqualität, Standort-Attraktivität, Vermeidung von sozialen Problemen usw.), selbst wenn die Dienstleistung rechtlich vorgeschrieben ist. Dienstleistungen für die Bürgerschaft sind vorwiegend Aufgabe der Kommunen.
In weiten Bereichen der (Bundes-)Verwaltung ist die Aufgabenerfüllung nur in geringem Maße durch Rechtsnormen determiniert, diese bestimmen allenfalls einen - oft weiten - Handlungsrahmen und/oder stellen einen Teil der Instrumente bereit, mit denen die Verwaltung ihre Ziele verfolgt (Beispiele in [3]).
Ein Fallbeispiel[4]: Ein „juristische“ Sicht des Falles verhindert also geradezu
die Problemlösung. |
Die Aufgabe ist nicht "Rechtsanwendung" im Sinne des "Subsumtionsautomaten", sondern Problemlösung (unter Nutzung des rechtlich gewährten Handlungsspielraums): Beseitigung der Hilfsbedürftigkeit (siehe beispielhaft das Modell des Main-Kinzig-Kreises). Was dazu sinnvoll ist und getan werden kann, ist juristisch nicht vorgegeben und kann juristisch nicht vorgegeben werden, z. B. die Zusammenarbeit mit örtlichen Betreuungseinrichtungen und Selbsthilfegruppen. Das entspricht auch dem Konzept einer modernen Verwaltung, formuliert als "Neues Steuerungsmodell" oder - prägnanter - als "Wirkungsorientierte Verwaltungsführung", und dem Verständnis von Verwaltung, das bereits Max Weber aus der Analyse der Verwaltung abgeleitet hatte: siehe den Beitrag "Bürokratie".
b) Managementverantwortung für das Sachgebiet
Tätigkeiten im Rahmen der Managementverantwortung | |
1. | die Beobachtung des Sachgebietes[5] |
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2. | die Planung für das Sachgebiet (Fach- und Ressourcenplanung insbesondere mit Wirkungs-, Leistungs- und Finanzzielen, operative und strategische Planung), |
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3. | Umsetzung der Planung bzw. der Zielvereinbarungen durch |
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4. | Strukturierung des Sachgebietes bzw. Mitwirkung daran insbesondere durch |
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Zeichnungsrecht als Regel
Die Funktion der Sachbearbeitung sollte die Entscheidungsbefugnisse in den üblichen
Angelegenheiten (»Zeichnungsrecht) umfassen
(Delegation, AKV-Prinzip),
im Rahmen einer neuen Verwaltungssteuerung (NSM)
auch mit Ressourcenverantwortung gekoppelt an Zielvorgaben und Berichtspflichten
(»Zielvereinbarungen).
Organisatorische Einordnung
Sachbearbeiter/Sachbearbeiterinnen sind organisatorisch in der Regel unmittelbar
der Leitung der Basiseinheit, z. B. der Referatsleitung, unterstellt und haben
selbst keine nachgeordneten Mitarbeitenden, jedoch gibt es zahlreiche Varianten
mit fachlicher "Zusammenarbeit" bzw. ausdrücklich geregelter
oder faktischer teilweiser oder vollständiger fachlicher Unterstellung/Überordnung,
- die fachliche Unterstellung unter einen Referenten / eine Referentin, also eine(n) Beschäftigte(n) im höheren Dienst, vollständig oder teilweise,
- die Übertragung (u. U. begrenzter) fachlicher Weisungsrechte gegenüber Bürosachbearbeitern/-innen oder anderen Mitarbeitenden,
- es kommt auch vor, dass einem Sachbearbeiter / einer Sachbearbeiterin bestimmte fachliche Kompetenzen im Verhältnis zu anderen Sachbearbeitern / Sachbearbeiterinnen übertragen werden: diese Funktion wird unterschiedlich bezeichnet, z. B. Hauptsachbearbeiter/-in, Gruppenleiter/-in, Sachgebietsleiter/-in.
- Bei mehreren Sachbearbeitern/-innen mit gleichartigen Aufgaben kann es auch eine herausgehobene Funktion (Erster Sachbearbeiter/Erste Sachbearbeiterin) geben, der/dem die Bearbeitung besonders schwieriger Einzelfragen und/oder die Beratung/Unterstützung der anderen Sachbearbeiter/-innen obliegt.
Sachbearbeitung ist eine typische und tragende Funktion in der öffentlichen Verwaltung,
- bei der oft der wesentliche Teil der operativen Tätigkeiten bzw. der operativen Steuerung liegt
- bzw. die Entscheidungsvorbereitung für alles, was auf dieser Funktionsebene nicht abschließend entschieden wird[7] und
- die zahlenmäßig einen großen Teil des Verwaltungspersonals stellt.
Deshalb wird der gehobene Dienst, der üblicherweise diese Funktion wahrnimmt, auch als das "Rückgrat der Verwaltung" bezeichnet. Allerdings bleibt abzuwarten, wie sich die Situation im Rahmen des Umbaus der Verwaltung nach dem Konzept NSM/NPM bzw. WoV einschließlich der geänderten Funktion von Staat und Verwaltung (aktivierender Staat, Good (Public) Governance) entwickelt.
Funktionsbeschreibung für
Ausbildungszwecke
Die Funktion der Sachbearbeitung ergibt sich anschaulich aus dem "Studienplan
für die berufspraktischen Studienzeiten" der (hessischen) Verwaltungsfachhochschule
in Wiesbaden: Originalquelle | Online-Archiv.
Siehe auch die Funktionsbeschreibung des BVA für die Bundesverwaltung[8].
Was Sachbearbeitung nicht ist
Sachbearbeitung ist nicht (reine) Rechtsanwendung. Aufgabe der öffentlichen
Verwaltung ist es, Beiträge zum Gemeinwohl zu erbringen, z. B. durch
Dienstleistungen mit einem Nutzen für die Allgemeinheit: mit Wirkungen/Outcome,
die dieses Tätigwerden rechtfertigen. Weder die Bekämpfung der Kriminalität
noch die Arbeitsvermittlung sind reine Rechtsanwendung: die für die Wirksamkeit
entscheidenden Aspekte des Handelns der öffentlichen Hand sind rechtlich
nicht vorgegeben!
Und Sachbearbeiter/-innen sind weder Juristen/-innen noch IT-Fachkräfte. Eine qualifizierte und effiziente Aufgabenwahrnehmung erfordert, die vorhandenen Spezialisierungen zu nutzen und deshalb besondere, schwierige, seltene Rechtsfragen von dem dafür qualifizierten Personal beurteilen zu lassen. Entsprechendes gilt für IT-Fragen: es ist zu aufwändig, Sachbearbeiter/-innen auch noch die Kunst der Makroprogrammierung erlernen zu lassen, damit sie diese Kenntnisse dann 2 mal pro Jahr mit mäßigen Erfolg anwenden. Auch die Gestaltung von Vordrucken, Bildschirmmasken usw. gehört in die Hände von Fachleuten. Zum Konzept der Unterstützung in Organisationsfragen siehe das KGSt-Handbuch Organisationsmanagement, 1999.
Eine solche konsequente Nutzung der Spezialisierungen ist in der öffentlichen Verwaltung nicht immer gewährleistet. Die Generalistenfunktion der Sachbearbeitung verleitet dazu, diesen Beschäftigten alles zuzutrauen, und auch sie selbst trauen sich oft zu viel zu: das müsste sich spätestens dann ändern, wenn ihre eigene Arbeitszeit nicht mehr "kostenlos" ist, denn eine effektive und effiziente Arbeit ist nur möglich, wenn die Spezialisierungsvorteile genutzt werden.
Abgrenzung
zu Bearbeiter/-in
Sachbearbeiter/-innen sind nicht zwangsläufig Bearbeiter/-innen im Sinne der Geschäftsordnung (siehe
im Beitrag Bearbeiter/-in)!
Anmerkungen
1 | Beispiele für weitgehend rechtlich determinierte Aufgaben der Bundesverwaltung: Bearbeitung von Rentenanträgen, Anträge auf Stundung der Rückzahlung von BAföG, Bearbeitung von Ordnungswidrigkeitenanzeigen in der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung. Aber auch hierfür gelten Qualitäts-, Zeit-, Finanz- und andere Ziele zusätzlich zu den rechtlichen Vorgaben. |
2 | "Gestaltungsspielraum" bedeutet u. a.
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3 | Beispiele für Aufgabenbereiche mit weitem Gestaltungsspielraum
in der (Bundes-) Verwaltung:
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4 | Fallbeschreibung übernommen von meinem Kollegen Andreas Gourmelon, FHöV NW. |
5 | Dies ist hier - für die üblichen Vollzugsaufgaben - Teil
der Managementaufgabe. In der Ministerialverwaltung ist die Beobachtung
eines Ausschnittes der gesellschaftlichen Wirklichkeit, der dazu vorhandenen
Regelungen, Programme, ihrer Wirkungen usw. ein Teil der Fachaufgabe,
und zwar von besonderer Bedeutung, weil darauf die Fähigkeit der
Ministerialverwaltung beruht, bei Bedarf zu reagieren, politische Programme,
Gesetzesvorhaben usw. zu entwickeln.
Politische und Vollzugsaufgaben sind also in vielfacher Hinsicht unterschiedlich, siehe Aufgabentypen. |
6 | nur bezogen auf das Sachgebiet. Auf Referatsebene ist an Instanzen, Controlling, Querschnittseinheiten, ggf. Steuerungsunterstützung zu berichten. Das wird die Referatsleitung sich durch eine(n) ausgewählte(n) Sachbearbeiter/-in vorbereiten lassen, ist aber nicht Aufgabe aller Sachbearbeiter/-innen. |
7 | ausgenommen vielleicht die Ministerialverwaltung |
8 | Beschreibung der Tätigkeit des gehobenen Dienstes
in der Bundesverwaltung durch das Bundesverwaltungsamt (BVA):
Übernommen von http://www.bva.bund.de/ am 21.09.2006. Diese Beschreibung berücksichtigt die Managementverantwortung
nicht, siehe dazu oben. Grundlage
des Tätigkeitwerdens können neben Gesetzen und Verordnungen
auch andere Quellen sein: Erlasse, Bewilligungen im Haushalt, politische
Programme. Zu ergänzen, weil durchgängig wichtig, ist auch
die Verantwortung für Organisation und Wirtschaftlichkeit der Aufgabenerledigung
im Sachgebiet, dem oft noch weitere Beschäftigte angehören. |
Köln, 2012-07-24